Von Ronja Rennkampff
Ist Polizeigewalt ein Thema, denken viele Personen gleich an die USA oder an Südamerika. Doch dafür müssen wir nicht einmal über die Stadtgrenzen hinaus, um diese zu erleben. Die JA! setzt sich ein für eine Stadt mit weniger Polizeipräsenz und mehr Sicherheit für alle.
Wenn über das Thema Sicherheit gesprochen wird, sind oft die Polizei oder Sicherheitspersonal damit gemeint. Jedoch fürchten sich viele Personen genau vor diesen vermeintlichen Personen, die eigentlich für die Sicherheit stehen sollten.
Wie überall in der Gesellschaft macht auch vor diesen Institutionen das sexistische, rassistische, homo- und transfeindliche und behindertenfeindliche System nicht halt.
Zur Veranschaulichung hier einige Beispiele:
Eine Studie in England ergab, dass nach englischen nationalen Fussballspielen die Meldungen von häuslicher Gewalt zu 38%, wenn die englische Nationalmannschaft verliert und zu 16%, wenn sie gewinnt, zunimmt. In der Schweiz tötet ein Mann durchschnittlich jede zweite Woche seine Frau, meistens weil sie sich von ihm trennen will.
Vor wenigen Wochen starb eine schwarze Frau an einem tödlichen Schuss einer Dienstwaffe. Sie hatte die Polizei gerufen, weil sie sich unsicher fühlte und zahlte dafür mit ihrem Leben.
Trans Frauen werden an Festivals vom Sicherheitspersonal davon abgehalten die Toilette zu benutzen, weil sie nicht aussehen wie eine «typische Frau».
Die LGBTIQ Helpline der Schweiz verzeichnete letztes Jahr 305 Anrufe. 305 Menschen der queeren Community suchten Hilfe, weil sie Homo- oder Transfeindlichkeit ausgesetzt waren.
«Erwin Aljucik, Rollstuhlfahrer wurde in einem Münchner Club unter dem Vorwand fehlender Barrierefreiheit und vermeintlicher sicherheitsbedenken abgewiesen. Die Polizei wurde gerufen, er wurde im Rollstuhl rausgetragen.» – Instagram-Post von initiativebarrierefreifeiern
Die Polizei trug aktiv dazu bei die Selbstbestimmungsrechte dieser Person einzuschränken und verhielt sich behindertenfeindlich.
Wenn es um allgemeine Sicherheit geht, stellt sich immer die Frage, wessen Sicherheit gemeint ist. Die Sicherheit von Frauen? Ihr Zuhause ist oft der gefährlichste Ort. Die Sicherheit von Schwarzen Personen? Sie werden in diesem Diskurs eher als Gefahr wahrgenommen. Es geht meist um die Sicherheit weisser cis Männer, denn alle anderen haben sich noch nie 100% sicher gefühlt in dieser Gesellschaft. Wenn von „allgemeiner“ Sicherheit gesprochen wird, ist oft die Norm der weissen cis Männer gemeint. Wenn es für sie sicher ist, dann wird angenommen, dass es für alle sicher ist. Doch dem ist nicht so, wie diese Beispiele zeigen, die alle auch in der Stadt Bern passieren könnten.
Nicht jede Person kann mit einem guten Gewissen die Polizei rufen und weiss, dass ihr geholfen wird. Im Gegenteil sehr viele Personen müssen damit rechnen, dass sie sich noch mehr in Gefahr bringen. Die Polizei sorgt sich deshalb lange nicht um die Sicherheit aller Menschen, sondern vor allem die der reichen, weissen cis Männer, die der Wirtschaft nicht schaden wollen.
Die JA! setzt sich dafür ein, dass sich das ändert und sich möglichst viele Menschen sicher fühlen, im öffentlichen Raum der Stadt Bern, sowie auch in ihrem Zuhause. Dafür braucht es eine andere staatliche Struktur als die Polizei. Es ist unabdingbar, dass diese Struktur divers aufgestellt ist, damit alle das Gefühl haben eine Ansprechspartner*in in dieser Organisation zu haben. Eine Person, bei der sie wissen, dass sie sicher sind und nicht wieder diskriminiert werden. Es braucht eine Struktur, die ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander in den Vordergrund stellt. Eine Struktur die auf Dialog setzt, statt auf Gewalt.
«Ich versuche mir eine Welt ohne Bestrafung vorzustellen, ich weiss nicht, ob das geht, ich weiss nur, dass wenn ich hasse dieser Polizist in meinem Kopf bellt, bestrafung, bestrafung, bestrafung»– Zitat aus dem Buch Hass, geschrieben von Seyda Kurt
Im Buch «Hass» von Seyda Kurt, wird eine Welt ohne Bestrafung thematisiert. Für die meisten in der heutigen Gesellschaft wahrscheinlich unvorstellbar.
Davon sind wir heute noch weit entfernt.
Beginnen wir doch damit, dass Frauen, wenn sie sexualisierte Gewalt erfahren, ernst genommen werden und sie Hilfe bekommen.
Queere Personen vor homo- und Transfeindlichkeit geschützt werden.
Racial Profiling der Vergangenheit angehört und rassifizierte Personen vor rassistischer Gewalt geschützt sind und eine sichere Anlaufstelle haben, wenn sie Rassismus erfahren.
Der öffentliche Raum für behinderte Personen zugänglicher wird, damit sie ihr Leben selbstbestimmt führen können und teilhaben können.
Dass Personen ernst genommen werden, wenn sie diskriminiert werden und nicht bei ihnen das Problem gesucht wird, sondern beim System und bei der Person, die sich diskriminierend Verhalten hat.
The last time was you felt safe in the dark? This world was never meant for a woman’s heart. But still you rise through it all. – Aus dem Song “Alibi” von Sevdaliza, Pablo Vittar und Yseult.
Bild: Gewalt an Frauen und wie sie beginnt, ist mit dieser Pyramide veranschaulicht. Diese kann auch mit jeder anderen Diskriminierung ausgetauscht werden.