(von Leila Yahiaoui)
Es herrscht ein Wildwuchs von Tempo-30-Zonen, basierend auf Ideologien statt vernünftigen Argumenten.[1] Der Unterschied der «wenigen Dezibel» ist für das menschliche Ohr kaum hörbar und für mehr Sicherheit empfiehlt die SVP breitere Strassen statt Temporeduktion.[2]

Während sich linke Politiker*innen schweizweit für mehr 30er Zonen einsetzen, wehrt sich das bürgerliche Lager vehement gegen diese Entwicklung. Mit dem folgenden Argumentarium dürftest du für deine nächste Begegnung mit Gegner*innen von Tempo 30 gewappnet sein.
Nach der Einführung von Tempo 30 statt 50 nahmen die selbstberichteten Schlafstörungen von Anwohnenden ab, während deren empfundene Verkehrssicherheit stieg.[3] Wer sich zwei Minuten mit der Dezibel-Skala auseinandersetzt, erfährt, dass besagter Unterschied von wenigen Dezibel vom menschlichen Gehör als erheblich wahrgenommen wird. [4]
Breitere Strassen verleiten zu schnellerem Fahren, was zu höheren Unfallzahlen führt. Besonders innerorts werden deshalb schmalere Fahrspuren empfohlen.[5] Das Unfallrisiko und die Unfallschwere verändern sich im Verhältnis zur Geschwindigkeit nicht linear, sondern exponentiell (Siehe Abb.X, Anm.: Sterbewahrscheinlichkeit von Fussgänger*innen)[6]
Gegen die geplanten 30er Zonen in Bümpliz erhob unter anderem ein*e Gewerbetreibende*r Einsprache. Hartnäckig hält sich das bürgerliche Narrativ, der Umsatz eines Geschäfts breche ein, wenn Kund*innen nicht mit Tempo 50 bis vor den Laden fahren und kostenlos vor der Tür parkieren können. Zahlreiche Studien zeigen: Die kombinierten Massnahmen Temporeduktion, Parkfeldabbau und Veloförderung wirken umsatzstärkend auf das umliegende Gewerbe.[7] Der Fuss- und Radverkehr bildet die umsatzstärkste Kund*innengruppe. Velofahrende geben in den ansässigen Läden 10% mehr Geld aus als Autofahrende.[8] Berücksichtigt man zu den höheren pro-Kopf-Ausgaben in den Geschäften auch das Potential von 10 parkierten Fahrrädern anstelle eines Autos, dürfte das wie Musik in den Ohren von Lokalunternehmer*innen klingen. Jene in Hamburg haben das Potential offenbar erkannt: Die ansässigen privaten Grundeigentümer*innen haben einen Teil der Kosten für die neue Radinfrastruktur übernommen. Die Wiener Wirtschaftskammer, anfangs Gegnerin der Verkehrsberuhigung, befürwortet mittlerweile ähnliche Vorhaben. [9]
Was benötigen wohl hiesige Wirtschaftsverbände, um zum selben Schluss zu kommen?
[1] Aussage Camille Lothe SVP ZH gemäss https://www.streetlife.ch/artikel/tempo-30-staedtevergleich
[2] Aussage Bernhard Steiner SVP LU im SRF Rendez-vous vom 6.3.2024 https://www.srf.ch/play/radio/redirect/detail/c3487f27-cf9d-414b-9481-53138bbec2e5
[3] https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/laerm/fachinformationen/massnahmen-gegen-laerm/massnahmen-gegen-strassenlaerm/geschwindigkeitsreduktion.html
[4] https://www.audisana.ch/blog/dezibel
[5] https://narrowlanes.americanhealth.jhu.edu/report/JHU-2023-Narrowing-Travel-Lanes-Report.pdf
[6] Grafik: Hussain et al. (2019)
[7] https://www.adfc.de/artikel/fahrradfoerderung-ist-gut-fuers-geschaeft-argumente-fuer-den-einzelhandel
[8] Brichet, Heran: Commerces de centre-ville et de proximité et modes non motorisés . Publication AdEME n°4841 (2003) in «Velowende» (Lehmann et al., 2024)
[9] https://www.adfc.de/artikel/fahrradfoerderung-ist-gut-fuers-geschaeft-argumente-fuer-den-einzelhandel