Von Salome Broder
Da dieser Text das Sexualstrafrecht behandelt, wird an dieser Stelle eine Triggerwarnung ausgesprochen.
Ab dem 1. Juli 2024 gilt in der Schweiz das neue Sexualstrafrecht. Nun fragt man sich, ob und wie sich diese Neuerungen auf die Anzeige- und Verurteilungsquote von Sexualstrafstäter*innen auswirkt.
Eine der prominentesten Änderungen ist, dass neu nun auch männlich gelesene Personen Opfer einer Vergewaltigung werden können. Grund dafür ist, dass alle Arten von Penetration in den Körper einer Person eine Vergewaltigung darstellen. Damit wird die Stellung von männlich gelesenen Personen als Opfer im Strafprozess enorm verbessert.
Bis anhin wurde vorausgesetzt, dass der*die Täter*in explizit Gewalt anwenden oder eine schwere Drohung aussprechen müssen, damit eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung vorliegt. Obschon seit Jahren zahllose Studien und Untersuchungen einen so genannten Freezingeffekt[1] bei schweren Gewalttaten belegen, wurde dies vom Gesetz nie berücksichtigt. Ebenso genügte ein einfaches Nein nicht, solange das Opfer sich «nicht ausreichend gewehrt hat». Dies hat sich nun endlich geändert und der «Schockzustand» wird nun explizit im Gesetz erwähnt. Ein erster Versuch, Opfern, die sich in einem Schockzustand befunden haben, zu schützen und ihnen nicht mehr vorzuwerfen, sich nicht genügend gewehrt zu haben.
Ab dem 1. Juli gilt «Nein heisst Nein». Opfer müssen nun nicht mehr beweisen, sich gewehrt zu haben, sondern explizit oder implizit Nein gesagt zu haben.[2] Diese Änderung führt auch dazu, dass stealthing (das unbemerkte Abstreifen des Kondoms vor/während dem Geschlechtsverkehr) unter den Tatbestand der Vergewaltigung fällt.
Auch «Nur Ja heisst Ja», wurde im Parlament diskutiert, jedoch wieder verworfen, da argumentiert wurde, dies würde die Beweislast dem Täter auferlegen. Das stimmt genau genommen nicht, da der Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» und die Unschuldsvermutung auch weiterhin gelten und auch hier hätte bewiesen werden müssen, dass der*die Täter*in ohne Konsens gehandelt hatte. Trotzdem wäre es ein wichtiges Zeichen gewesen, nämlich das die eigene Sexualität uneingeschränkt und einzig dem eigenen Willen entspricht.
Der Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten», die Unschuldsvermutung gelten nach wie vor und vier-Augen-Delikte bleiben schwer zu beweisen. Trotzdem stehen die Chancen bedeutend besser, dass Strafverfahren nicht schon vor Anklageerhebung eingestellt werden. Was doch ein kleiner Schritt in Richtung einer faireren und gerechteren Gesellschaft ist.
[1] Das Erstarren, auf Englisch Freezing genannt, ist eine körperliche Reaktion auf akute Bedrohung. Erstarrt eine Person, so kann sich das als Bewegungslosigkeit äussern, als Verlangsamung oder aber auch als sehr automatisierte Bewegungen. Weil auch die Atmung betroffen ist, kann eine erstarrte Person nicht um Hilfe schreien.
[2] Die Beweislast bleibt jedoch beim Opfer bzw. bei der Staatsanwaltschaft.