ja!rgon Nr. 1 Januar 2005 |
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EditorJA!l Rot-Grün oder doch nur blau? Reitschul-Kampagne in den Startlöchern BahnhofsUNordnung Schon wieder eine Mogelpackung JA!mitteilungen |
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Wahlen an der Uni Ende Januar wurde an der Uni Bern das Parlament der StudentInnenschaft SUB gewählt. Erwartet wurde die Bestätigung der komfortablen linken Mehrheit. Während des Wahlkampfs übertrafen sich die Jungfreisinnigen einmal mehr selbst mit einer Schlammkampagne. Es wurde gefordert: SUB Politik bitte spülen!" Statt zu einer Gegenkampagne auszuholen, legten die linken Kräfte ihre Hände in den Schoss und hofften auf eine Quittung der Wählenden. Diese fiel dann aber anders als erwartet aus: Die Jungfreisinnigen wurden zur stärksten Fraktion. Die Linken verloren ihre Mehrheit und kommen zusammen nun auf 19 der 40 Parlamentssitze. Auch die Uniablegerin der JA! verlor zwei ihrer sechs Sitze. Einige Linke wollen die Wahlen nun anfechten und Neuwahlen abhalten. Die JA! hält dies für undemokratisch. Die Linke hat verloren, nun ist es an den linken Studierenden, kräftig Opposition zu betreiben und zu verhindern, dass sich eine bürgerliche Mehrheit einrichtet. Vielleicht hilft die Niederlage, die Zerstrittenheit der letzten Jahre zu beenden und zu inhaltsvoller linker Hochschulpolitik zurück zu finden. Samuel Durrer Kreativer Protest und lächerliche Polizeiparade statt unschöne Strassenkämpfe. Das Erste, was man an diesem Samstag, dem 22.1.05 von der angekündigten Anti-Wef-(Nicht)-Demo mitbekam, war ein massives Polizeiaufgebot. Überall standen Polizeitransporter, Absperrfahrzeuge und Militärtransporter. Die dazugehörenden Mannschaften standen unweit davon an allen Ecken und Enden. Die Stadt Bern war blau. Nicht wie man von den angenommenen Machtverhältnissen her hätte vermuten können, rot oder grün, nein blau. JedeR sich der Innenstadt Nähernde wurde gründlich kontrolliert. Dabei wurde schnell klar, dass die Polizeieinheiten ziemlich unkoordiniert und unabhängig voneinander agierten. Es war ja schliesslich auch die halbe Schweiz vertreten. Unter anderem Aargauer-, Solothurner- und Baslerpolizisten. So konnte es passieren, dass man in derselben Gasse, nur eine halbe Minute seit der letzten Taschenkontrolle, von einer weiteren Horde von Blauen kontrolliert wurde. Das Ganze ging noch mal von vorne los. Ein nervenaufreibendes und sehr unangenehmes Unterfangen, gebärdete sich die Polizei doch ausnahmsweise nicht als unser Freund und Helfer. Endlich in der Innenstadt angelangt, fühlte man sich sofort wie auf einem Jahrmarkt. Zwischen PassantInnen waren MusikerInnen, Strassentheater und verschiedenste Stände anzutreffen. Man sah Menschen mit Säcken über dem Kopf, auf denen nette" Grussbotschaften ans Wef standen. Die Zeugen Kapitalisti" beteten als Mönche verkleidet stramm stehende Polizisten an und dankten dem Gott des Geldes fürs Wef. Ab und zu konnte man beobachten, wie drei als Polizisten verkleidete Demonstranten alle, die ihnen in die Quere kamen, drangsalierten. Auch der Stand der Jungen Alternative JA!, die an ihrem Stand Globulis gegen die Globalisierung verteilte, verursachte ein allgemeines Schmunzeln. Die angekündigten Proteste des zivilen Ungehorsam" hatten die Stadt Bern in ein Freilufttheater verwandelt. Mit Hunderten von Polizisten als unfreiwillige Statisten. Diese versuchten die friedliche und kreative Stimmung mit Aggressivität zu kompensieren. All jene, die verdächtig" aussahen, wurden kontrolliert und viele grundlos abgeführt. Bereits das Tragen eines Filzstiftes oder einer Kamera konnte zu einer Verhaftung führen. 84 Menschen wurden verhaftet und über 600 von der Polizei kontrolliert. Viele der Verhafteten mussten sich nackt ausziehen und blieben teilweise Stunden ohne Essen oder etwas zu trinken. Ein Gefangener wurde von einem Polizeihund gebissen, als er Polizeiangaben zu Folge versuchte, ein Gitter zu verstellen. Auf jeden Fall konnte man einiges von diesem Samstagnachmittag lernen. Eine Stadt auf diese Art so friedlich und kreativ zu übernehmen" wird in Zukunft sicher eine der erfolgreichsten Demonstrationsmöglichkeiten überhaupt sein. Und etwas weiteres konnte man als Zuschauer erfahren: Der Unterschied zwischen einer rot-grünen und einer bürgerlichen Mehrheit ist manchmal klein, wenn es um heikle Angelegenheiten geht. Dieser Samstag hat die Euphorie über den rot-grünen Sieg bei den Gemeinderatswahlen nun um einiges geschmälert. Manch eineR fragt sich, ob es nicht einen Unterschied machen sollte, ob rot-grün oder bürgerlich an der Macht ist? Lukas Wegmüller Reitschul-Kampagne in den Startlöchern Wieder einmal versuchen Rechtsaussen-PolitikerInnen mit einer Initiative die Reitschule zu bekämpfen. Auch diesmal setzt sich die JA! überzeugt für das alternative Kulturzentrum ein und übernimmt zusammen mit der JUSO die Federführung der Abstimmungskampagne. Nichts Neues ist, dass PolitikerInnen aus dem Rechtsaussen-Spektrum immer wieder versuchen, das alternative Kulturzentrum Reitschule mit allen Mitteln zu bekämpfen. Nicht vor allzu langer Zeit war die Forderung unter dem Motto Reitschule für alle!", ein riesiges Einkaufszentrum aus dem Boden zu stampfen. Die Berner Bevölkerung lehnte diesen Vorschlag deutlich ab. Nun nehmen rechtsbürgerliche Kreise die Reitschule einmal mehr unter Beschuss. Bereits der Titel der Initiative Keine Sonderrechte für die Reitschule" ist eine bewusste Fehlinformation. Denn die Reitschule wird bezüglich der Handhabung der Mietzinse gleich behandelt wie andere Kultur-Betriebe (z.B. Kornhaus und Gaskessel). Die Annahme dieser Initiative hätte schwerwiegende Auswirkungen für den Reitschulbetrieb. Darum setzt sich die Junge Alternative JA! überzeugt für das alternative Kulturzentrum ein. Gemeinsam mit den BetreiberInnen der Reitschule und weiteren Organisationen lanciert die Junge Alternative JA! die Abstimmungskampagne gegen die kulturfeindliche Initiative, welche vermutlich Ende 2005 vors Volk kommt. Der erste Streich ist die Gründungsversammlung des Abstimmungskomitees, welche am 1. April 2005 ab 17.30 Uhr in der Reitschule stattfindet. Nebst der Gründungsversammlung im sous le pont wird es ein vielseitiges Rahmenprogramm mit einer Überraschung geben. Kein Scherz! Komm auch du vorbei und engagiere dich aktiv, kreativ und vielseitig für die Alternativkultur in Bern. Anne Wegmüller Unterschätze nie deinen Feind Vor knapp einem Jahr entsprang dem aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Politiker Kurt Wasserfallen eine weitere tolle" Idee: Er stellte eine neue Ordnung für den städtischen Teil des Bahnhofs auf, die es verbietet, zum einen auf Treppen und dem Boden zu sitzen und zum anderen unbefugte bzw. unbewilligte" Kundgebungen, Darbietungen, Sammelaktionen und Unterschriftenaktionen durchzuführen. Das Ziel war klar ersichtlich: Unerwünschte BettlerInnen, Obdachlose und Drogensüchtige sollten gefälligst die geldbringenden TouristInnen nicht schon am Bahnhof erschrecken und lästige Politaktive sollten mit ihren Flyern und Unterschriftenbogen die geschäftigen BürgerInnen nicht von Hetzerei und Konsumiererei abhalten. Bei aller Liebe zur sauberen Stadt hat der gute Wasserfallen nur eines nicht bedacht, nämlich, dass auch wir denken können. Denn wie ist es möglich, dass sich die Stadt als Besitzerin des öffentlichen Raumes hinstellen und diesen, wie ein Hausbesitzer seinen Garten, verteidigen kann? Noch dazu mit dem Motiv, unannehmliche Dinge einfach unter den Teppich zu kehren in der Hoffnung, sie würden darunter ersticken. Aus diesen Gründen hat die JA! im April letzten Jahres gemeinsam mit der JUSO einige Protestpicknicks im Bahnhof durchgeführt; zudem haben ca. 35 Einzelpersonen (darunter einige der JA!) und vier Organisationen einen Rechtsvorschlag erhoben. Dies alles blieb nicht ohne Folgen: Die Stadt Bern klagte uns an und im Juni letzten Jahres erhielten wir eine Einladung zu einem Aussöhnungsversuch, der vor ca. drei Wochen stattgefunden hat. Wie erwartet wurde das Ganze zu einer Farce: Mangels wirklichen Argumenten blieb dem Anwalt der Stadt Bern nur, uns als Ausnahmefälle hinzustellen, denn nach ihm habe nebst den Angeklagten" niemand Anstoss an der Bahnhofsordnung genommen. Zudem sprach er von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Die einen akzeptierten die Gesetze und die anderen wollten einen rechtsfreien Raum, damit sie sich nach Lust und Laune austoben können. Auf Seite der EinsprecherInnen wurde davor gewarnt, dass der öffentliche Raum bald nur noch Shoppingwilligen zur Verfügung stehe statt Lebensraum für alle zu sein. So erklärte der Richter den Aussöhnungsversuch als gescheitert und uns bleibt abzuwarten, ob die Stadt Bern wirklich nichts mehr als inhaltslose Beleidigungen von sich geben kann. Lea Bill Schon wieder eine Mogelpackung Nach dem Avantibschiss und dem Steuerbschiss auf Bundesebene versuchen Berns Wirtschaftsverbände nun mit ihrer Steuerinitiative eine kantonale Mogelpackung. Einmal mehr ist die Linke gefordert, Aufklärungsarbeit zu leisten, damit Bern auf Grund der verantwortungslosen Initiative am Schluss nicht vor einem Scherbenhaufen steht. Dieser Artikel versucht genau dieses. Lest weiter, auch wenn ihr schon Nein stimmen wollt, vielleicht überzeugen die Argumente ja auch Onkel und Tanten ... Die Steuerinitiative fordert 10 Prozent weniger Steuern für alle. Davon profitieren nur die Reichen. Die Ersparnis einer Familie mit einem Einkommen von 60000.- beträgt ganze 158 Franken (Natelrechnung). Wer 100000.- im Jahr verdient, spart 632 Franken (Semestergebühren an der Uni). Ab einem Jahreseinkommen von einer halben Million lohnt sich die Initiative, man spart 7099 Franken (Heimkino). Der Kanton Bern hat über 3 Milliarden Franken Schulden. Zu Verdanken hat er diese neben dem Kantonalbankdebakel in erster Linie drei massiven Steuersenkungen Ende der 80er Jahre. Die Wirtschaftsverbände scheinen nichts daraus gelernt zu haben. Um diese Schulden abzubauen, hat der Kanton Bern seit Beginn der 90er Jahre neun Sparpakete geschnürt. Die Einsparungen waren massiv, der Service Public wurde auf den Minimalststand zurückgefahren. In Bern gibt es nichts mehr zu sparen. Genau dies würde aber mit den jährlichen Steuerausfällen von über 400 Millionen Franken nötig. Der Regierungsrat hat vorgerechnet, wo noch zu sparen wäre, sollte die Initiative angenommen werden. Ein Auszug aus der Horrorvision": Schliessung von Bahn- und Buslinien, Abbau von 300 Volksschulklassen, Schliessung der Lehrwerkstätten (700 Lehrstellen), Schliessung von Spitälern, Rückzug aus Kindertagesstätten, Halbierung der Prämienverbilligung etc. Durch den Strukturabbau wird der Wirtschaftsstandort Bern gefährdet. Steuersätze sind nicht der wichtigste Punkt für die Wahl eines Unternehmenstandorts. Viel wichtiger sind gut ausgebildete Leute und erstklassige Hochschulen. Die Liste der Argumente gegen die unsinnige Steuerinitiative liesse sich noch verlängern, doch gottseidank gibts auch noch andere Themen für den JA!rgon ... Samuel Durrer Achtung, Fertig, Partnerschaft Jetzt ist es definitiv, wir stimmen am 5. Juni 2005 über die eingetragene Partnerschaft von gleichgeschlechtlichen Paaren ab. Die JA! wird sich in den nächsten Monaten aktiv für das Partnerschaftsgesetz, welches ein Schritt hin zur Gleichberechtigung homosexueller Paare ist, einsetzen. Mehr Infos zur Vorlage unter: www.partnerschaftsgesetz-ja.ch. Lorrainepost kurz vor dem Aus? Seit vergangenem Sommer ist klar: Die Post in der Lorraine soll auf Frühjahr 2005 aufgehoben werden. Dies obwohl sich die QuartierbewohnerInnen der Lorraine ganz klar gegen die Schliessung ausgesprochen haben und die JA! gemeinsam mit Quartierorganisationen und anderen Parteien eine Petition sowie zahlreiche andere Aktionen gegen die Poststellenschliessung lanciert hat. Doch wir geben nicht auf und engagieren uns weiterhin für ein qualitativ guten Service public auch in der Lorraine. Vor einigen Tagen hat nun auch der Berner Stadtpräsident in einem Brief an die Post verlangt, ihren Entscheid noch einmal zu überdenken. JA! bei den jungen grünen Die Junge Alternative JA! hat sich in den letzten 12 Jahren als Stadtpartei verstanden. Wir haben global gedacht und lokal gehandelt. Im letzten März haben sich die jungen grünen schweiz gegründet. Als links-grüne Gruppe in der Bundesstadt haben wir begonnen, mit den jungen grünen auf verschiedenen Ebenen zusammenzuarbeiten. Diese Zusammenarbeit haben wir als sehr fruchtbar empfunden. Weil vieles, das uns beschäftigt, auf gesamtschweizerischer Ebene abläuft, haben wir uns nach langen, intensiven Diskussionen entschieden, den jungen grünen schweiz beizutreten. Wir wollen allerdings nicht einfach eine Sektion werden, die ihre Direktiven von oben erhält, wir wollen uns selber treu bleiben und wir wollen unsere grösste Stärke behalten: Unsere Unabhängigkeit. |