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Zeichen der Zeit erkannt
Am 17. November 1998 hatte der Grossrat - entgegen bürgerlichen Bedenken und regierungsrätlicher Skepsis - mit 104 gegen 73 Stimmen einem Vorstoss der Jungsozialistin Ursula Wyss stattgegeben, demzufolge Jugendlichen ab 16 zumindest auf Gemeindestufe das aktive Stimm- und Wahlrecht zu gewähren sei. Einen Tag nach dem Grossratsbeschluss reichte der damalige JA!-Stadtrat Nico Lutz ein Postulat ein, in dem er den Gemeinderat der Stadt Bern aufforderte, sich für die Realisierung von Stimmrechtsalter 16 in der Stadt Bern stark zu machen. Anfangs März 2000 stimmten nun sowohl der Gemeinderat wie auch der Stadtrat dem Postulat zu. Damit wirft sich Bern als erste namhafte bernische Gemeinde offiziell fürs Stimmrechtsalter 16 ins Zeug und entwickelt entsprechenden Druck auf den Kanton. Wenn alles gut geht, werden wir im Kanton Bern in zwei, drei Jahren über die nötige Verfassungsänderung abstimmen können. Zudem strahlte der erheblich erklärte Vorstoss von Nico Lutz auch in die bernische Agglomeration aus: In Zollikofen wurde der Gemeinderat nun auch aufgefordert, sich beim Kanton für Stimmrechtsalter 16 stark zu machen.Verschlafen worden
Während man der Stadt Bern in Sachen Stimmrecht gute Noten erteilen kann, hat sie die Entwicklung in Sachen Kinder- und Jugendpartizipation allerdings etwas verschlafen. Während rund um Bern, ja im ganzen Kanton, überall Jugendparlamente und andere Mitsprachemöglichkeiten für noch nicht Stimmberechtigte Junge aus dem Boden spriessen, passierte in der Bundeshauptstadt nicht allzu viel. Aber auch das soll bald einmal ändern: Diesen Herbst will der Gemeinderat ein Reglement zur Kinder- und Jugendpartizipation vorlegen, welches deren politische Mitspracherechte regeln soll. Jugendmotion oder Jugendparlament für die Stadt Bern? Annette Brunner hat für die Junge Alternative einen Vorstoss eingereicht, der fordert, dass die bernischen Kinder und Jugendliche dazu eigens zu befragen seien: Damit alle Betroffenen von Anfang an mitreden können!Grosser Handlungsbedarf
Die Verantwortlichen für diese nicht rechtskonforme Praxis sind aber eigentlich nicht bei den Sozialarbeitenden der Stadt, sondern bei der Leitung der Sozialdienste und dem Fürsorgeamt zu suchen. Von dort gehen nämlich die Weisungen aus, die gegen die SKOS-Richtlinien und Verwaltungsrecht verstossen - und ebenfalls ein massiver Druck, diese Weisungen auch umzusetzen. Die Fraktion GB/JA! fordert eine Korrektur der gegenwärtigen Ablehnungs- und Kürzungspraxis und wird den Prüfungsbericht im Stadtrat ablehnen (siehe auch ja!rgon 04/99).Wohlfahrt für Radfahrt
Schweizer RadfahrerInnen stellen sich im Folgenden vor, dass sie sich neben dem motorisierten Verkehr schüchtern behaupten müssen. Die Schwächeren haben auszuweichen, logo. Dem ist aber hier in Kopenhagen nicht so: Kaum ist die Schnellstrasse überquert, fährt man sicher auf einem breiten Radweg, der entweder um einen Randstein höher liegt als die Strasse oder durch einen Grünstreifen und parkierte Autos von der Strasse abgetrennt ist. Ja, das gibts ja bei uns in Bern zu Hause auch! Das Unglaubliche ist aber, dass es in Kopenhagen schlicht und einfach unmöglich ist, eine grössere Strasse zu finden, die keinen Radstreifen, keine extra Radfahrer-Ampeln oder sonstige spezielle Markierungen für den Zweiradverkehr hat. Zudem sind nicht herabgesetzte Trottoir-Randsteine auf dem ganzen Stadtgebiet eine echte Rarität. Wie man sieht, wäre eine Fuss- und Veloinitiative, wie sie letzten Sommer in Bern zur Abstimmung kam, in Kopenhagen in jeder Hinsicht überflüssig.Die Infrastruktur wird genutzt
Aber fahren die DänInnen wirklich soviel Velo, dass sich ein solcher Aufwand auszahlt? Sobald im Herbst die Sommerferien vorbei waren, erfuhr der Veloverkehr einen immensen Aufschwung. Es standen nicht mehr nur vier, fünf RadlerInnen bei rot an den Kreuzungen, sondern schnell einmal um die zwanzig - in den Stosszeiten gar noch mehr. Dies hat sich seitdem nicht merklich verändert. Es sei denn, es liege 20 Zentimeter Schnee oder es blase ein heftiger Wind, kombiniert mit eisigen Temperaturen. Aber eines ist sicher. Es kann noch so kalt und nass sein: Kopenhagens RadfahrerInnen wagen sich bei jeder Witterung sehr viel zahlreicher auf die Strasse als die BernerInnen. Vor allem Männer stellen aber einen grossen Nachteil des winterlichen Radfahrens fest: Däninnen in voller Ausgangsmontur sind potentiell weniger auf dem Zweirad anzutreffen.Fehlende Veloabstellplätze
Wenn man sich als VelofahrerIn auf die Autostrasse zurückzieht, wird die Unbeliebtheit erst recht spürbar. Haarscharf rasen Autos vorbei und treiben dir den Angstschweiss auf die Stirn. Schwierig ist es auch beim Parkieren; vor Nachtlokalen gibt es keinen Platz - eng drängen sich da die Fahrräder an die Hausmauer - und vor den meisten Geschäften ist das bekannte Schildchen Velos anstellen verboten angebracht. Die Veloparkplätze beim Bahnhof sind meist so überfüllt, dass man sein Velo nur mit Müh und Not zwischen zwei andere quetschen kann. So wird auf mehr oder weniger subtile Weise das Fahrrad aus der Stadt verbannt.Veloförderung - aber subito
Seit dem 13. Juni 1999 gibt es jedoch wieder Hoffnung für RadlerInnen. Da hat nämlich die Berner Bevölkerung den Gegenvorschlag zur Fuss- und Veloinitiative gutgeheissen; somit besteht ein verbindlicher Auftrag und eine finanzielle Basis, um in unserer Stadt mehr Platz für VelofahrerInnen zu schaffen. Endlich wurde nun der Richtplan für den «leichten Zwei-radverkehr» ausgearbeitet. Die Hauptziele des Richtplans sind mehr Sicherheit für VelofahrerInnen sowie die Verdoppelung des Veloverkehrs innert zehn Jahren. Geplant sind zudem zusätzliche Velowege und Umfahrungen sowie die Schaffung neuer Parkmöglichkeiten. Dafür stehen bis im Jahr 2010 jährlich vier Millionen Franken zur Verfügung. Damit sollte eigentlich einiges realisierbar sein; am Gemeinderat liegt es nun, für eine rasche Umsetzung des interessant tönenden Richt-plans zu sorgen. Und wer weiss: Vielleicht wird es bis in einigen Jahren möglich sein, gemütlich und ohne grosses Nachdenken durch Bern radeln zu können.Autofreier Sonntag
Gleichwohl: In Umweltschutzkreisen ist man auch in Amsterdam durchaus besorgt über die Entwicklungen in der Verkehrspolitik. In den letzten 30 Jahren hat der motorisierte Verkehr einen rasanten Aufschwung erlebt und die Stadt hat es lange verschlafen, gegen dieses ungebremste Wachstum vorzugehen. Dies, obwohl sich in einer Abstimmung im Jahre 1992 eine Mehrheit der Stimmbevölkerung dafür ausgesprochen hatte, den Autoverkehr einzudämmen. Dessen ungeachtet wurden aber neue teure Parkplätze im Stadtzentrum erstellt, die unweigerlich die Attraktivität des Autoverkehrs zusätzlich gefördert haben. Auch einer radikalen Parkgebührenerhöhung ging man bisher aus dem Weg. Auf Druck der Organisation "Platvorm Binnenstad Autovrij" konnte im Herbst 99 wenigstens der erste autofreie Sonntag seit der Ölkrise 1973/74 durchgeführt werden. Der Erfolg war gross, erklärten sich in einer Umfrage, ähnlich wie in Italien, mehr als 50 Prozent der Bevölkerung mit der Ausweitung einer solchen Massnahme einverstanden.Gratis-Leihvelos für alle
Amsterdam hat aber auch ein anderes wegweisendes Projekt ins Leben gerufen, das dem Veloverkehr zusätzliche Impulse verleihen kann: Das "witte fietsen Projekt". Ein Rezept der Spontibewegung "Provo" aus den 60er Jahren wird heute wieder aufgegriffen: Dazumal stellte man Velos, die durch ihre weisse Farbe deutlich gekennzeichnet waren, der Allgemeinheit gratis zur Verfügung. Alle konnte sich ein Velo nehmen und nach Verwendung irgendwo in der Stadt wieder abstellen. Leider aber wurden viele Velos gestohlen und überstrichen oder Opfer von Vandalenakten, so dass die Aktion schliesslich eingestellt wurde. Heute verteilen sich unzählige Velo-Depots über die ganze Stadt. Mittels einer Chipkarte lässt sich ein Drahtesel nahezu gratis (rund 30 Rappen pro Fahrt) aus der Halterung lösen. Nach Gebrauch wird das Rad in einem beliebigen Depot wieder parkiert; die Depots befinden sich jeweils in nächster Nähe von Haltestellen des öffentlichen Verkehrs. Durch die rege Benützung fehlt es den Depots kaum am nötigen Nachschub. Harte Gummipneus verhindern platte Reifen und ein Reparaturservice sorgt dafür, dass Bremsen und Licht funktionieren.Autofreie Innenstadt?
Das Projekt "witte fietsen" wurde in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert und ausgebaut. Durch seine Vernetzung mit dem öffentlichen Verkehr und seinem Beitrag zur Reduktion von Fahrraddiebstählen hat es das Bewusstsein der Bevölkerung für eine alternative Verkehrspolitik geschärft; dem Projekt dürfte, gemäss einer Studie des Ministeriums für Verkehr auch längerfristig Erfolg beschieden sein. Um aber einen wirklichen Paradigmawechsel in der amsterdamschen Verkehrspolitik zu vollziehen und dem Velo gänzlich zum Durchbruch zu verhelfen, müsste eine autofreie Innenstadt geschaffen werden. Unter der rot-grünen Stadtregierung könnte das vielleicht einmal Wirklichkeit werden.