Wir haben Angst.

Die Erderwärmung stellt die Menschheit in kommender Zeit wohl vor die grössten Herausforderungen seit ihrer Existenz. Laut einer internationalen Studie in 10 Ländern mit 10’00 Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren gaben 84% an, dass sie besorgt über die Zukunft von unserem Planeten sind (Hickman et al, 2021). Für viele meiner Freund*innen ist die Kinderfrage unklar, denn sie möchten nicht, dass ihre Kinder in einer solchen Welt aufwachsen müssen, welche dem Untergang geweiht ist. Doch steht es so schlimm, dass jegliche Hoffnung verloren ist?

Wir Menschen haben das System Erde schon massiv verändert. Wir Menschen greifen so stark in die biologischen, geologischen und atmosphärischen Vorgänge ein, dass die Folgen noch in ferner Zukunft zu spüren sein werden: Willkommen im geologischen Zeitalter des Anthropozäns. Treibhausgasemissionen verursacht durch menschliche Aktivitäten haben die globale Durchschnittstemperatur schon um 1.2° C im Vergleich zur Vorindustriellen Zeit steigen lassen. Jährlich kommen Treibhausgasemissionen von umgerechnet 55 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid dazu. Niederschlagsverteilungen ändern sich, Extremwetterereignisse nehmen zu, der Meeresspiegel steigt und die Ozeane versauern.

Die aktuellen und zukünftigen Veränderungen sind wissenschaftlich belegt. Die globalen Treibhausgasemissionen nehmen weiterhin zu. Die meisten Klimawissenschaftler*Innen gehen davon aus, dass das 1.5 Grad-Ziel vom Pariser Klimabkommen nicht mehr zu erreichen ist. Es ist davon auszugehen, dass die Erwärmung bis zum Jahr 2100 mindestens 2° C betragen wird. Dies führt zu einer Zunahme von Hitzewellen, Überflutungen und damit verbunden Hungersnöte, Konflikte und eine vermehrte Migration.

Prognosen in die Zukunft sind sehr anspruchsvoll. Werden gewisse Kipp-Punkte im Klimasystem erreicht, können irreversible Prozesse und verstärkende Feedbackreaktionen ausgelöst werden. Einige Beispiele: Schmilzt Meereseis, nimmt der Albedo (Rückstrahlungseigenschaft einer Oberfläche) ab. Tauen Permafrostböden in Sibirien, wird zusätzlich Methan und Kohlendioxid freigesetzt. Säuere Ozeane haben eine geringere Aufnahmekapazität von Kohlendioxid im Wasser. Durch das Schmelzen der Eisschild kann es zu einer Veränderung der Ozeanischen Strömungen kommen. Wärmeabgabe und Wärmeaufnahme, sowie Verdunstung der Ozeane beeinflussen die Meeresströmungen verändern dadurch unser Klimasystem. Weitere systemrelevante Veränderungen sind etwa Störung des indischen Monsunregimes, Instabilität der Sahel-Zone und Dürren im Amazonas Regenwald. Gerade diese physikalischen Kippunkte und ihre irreversiblen Folgen machen Angst. Sie sind sehr unberechenbar und prognostizieren Teils sehr düstere Zukunftsszenarien.

Neben den physikalischen Kippunkten gibt es auch soziale Kippunkte. Im Jahr 2022 sind die Investitionskosten für Erneuerbare Energien zum ersten Mal tiefer als fossile Energien. Solche Veränderungen führen in einem kapitalistischen System (in dem wir nun einmal leben), zu sehr schnellen Veränderungen. Doch nur günstige Grüne Energie wird nicht ausreichen, um den nötigen Wandel vorbeizuführen. Ein Umdenken und Ablösen vom Wachstumsgedanken werden unvermeidbar sein. Auch wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren in gewissen Ländern schneller vorangegangen ist als zuvor angenommen, kann dies nur als kleiner Zwischenerfolg gefeiert werden.

Die Klimakrise darf nicht nur auf den Emissionsaustoss reduziert betrachtet werden. Sie geht einher mit einer weitgreifenden Biodiversitätskrise. In der menschlichen Geschichte der letzten 300’000 Jahren gab es noch nie eine so drastische Abnahme von Tier und Pflanzenarten auf dem Planet Erde. Die beiden Krisen bedingen und verstärken sich gegenseitig. Der Weltklimarat IPCC und der Weltbiodiversitätsrat IPBES fordern deswegen, dass 30 Prozent der globalen Land- und Wasserflächen unter Schutz gestellt sowie Landwirtschaft und Fischerei nachhaltiger betrieben werden. 60 % der noch zu erwartenden Aussterbeereignisse könnten dadurch verhindert werden und im Weiteren 300 Gigatonnen Kohlendioxid langfristig aus der Atmosphäre entnommen und gebunden werden. Dies entspricht 12 % des ausgestossenen Kohlenstoffs seit Beginn des Industriezeitalters.

Die möglichen physikalischen Kippunkte können zu drastischen und gefährlichen Veränderungen führen. Die Angst vor der Zukunft ist berechtigt. Umso wichtiger ist es jetzt zu handeln, denn wir gehören zu dem Teil der Welt, der sich ein Wandel und Umdenken jetzt schon leisten kann.

Quelle:

Hickman C, Marks E, Pihkala P, Clayton S, Lewandowski R E, Mayall E, Wray B, Mellor C, van Susteren L: Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey, The Lancet Planetary Health, Volume 5, Issue 12, https://doi.org/10.1016/S2542-5196(21)00278-3., 2021.