JA!rgon Nr. 3/2016
Von Gina Ketterer
In Diskussionen rund um Datenschutz fallen oft Sätze, auf die man nur mühsam eine Erwiderung findet. Hier ist ein Versuch, gegen solche Verharmlosungen zu argumentieren.
«Datenschutz wird von den meisten Leu- ten als unnötig empfunden, schliesslich tei- len sie auch Privates auf Facebook. Selber schuld.»
Falsch! Viele Leute fühlen sich bei Facebook nicht mehr sicher und nehmen entsprechende Datenschutz-Einstellungen vor. Soziale Medien werden zwar genutzt und private Inhalte wer- den geteilt, aber eben nur bestimmte Sachen mit bestimmten Leuten. Dieses selektive Teilen der Informationen ist bei einer Annahme des NDGs aber nicht mehr gewährleistet, weil der Nachrichtendienst des Bundes die Möglichkeit hätte, auf diese Informationen zuzugreifen. Niemand macht eine allgemeine Aussage über den Wert der Privatsphäre, nur weil er oder sie ge- wisse Aspekte des Privatlebens öffentlich macht. Zudem ginge die Überwachung auch noch weiter, denn selbst private Mails und Chats könnten überwacht werden.
«Wer nichts zu verbergen hat, muss nichts fürchten. Die staatliche Überwachung interessiert sich nicht für den oder die Durchschnittsbürger_in.»
Schon möglich, dass manche Menschen mit sich selbst absolut im Reinen sind. Trotzdem haben alle etwas zu verbergen: ihr Privatleben. Deshalb gibt es Vorhänge an den Fenstern, Tagebücher und Briefumschläge. Selbst wer nichts zu verbergen hat, möchte nicht alles der Öffentlichkeit bzw. dem Nachrichtendienst bekanntgeben. Ausserdem kann niemand wissen, welche Regierungsformen in Zukunft herrschen oder welche gesellschaftlichen Werte gelten werden. Was heute als bedeutungslose Information erscheinen mag, kann eines Tages verhängnisvoll sein. Und auch wenn es tatsächlich, wie behauptet, vornehmlich um die Suche nach Terroristen ginge, würden auch unauffällige Menschen ins Visier geraten. Zudem könnte schon nur der Kontakt mit einer «verdächtigen» Person dazu führen, dass Unbeteiligte in einem umfassenden Profil über deren soziales Umfeld erfasst werden. Wer jetzt trotz allem glaubt, dass weder er oder sie selbst, noch Bekannte oder deren Bekannte je in das Suchraster eines Geheimdienstes fallen könnten, sollte einmal ein paar Schritte zurücktreten: Eine staatliche Überwachung kann in anderen Ländern helfen, Regierungsgegner_innen mühelos ausfindig zu machen. Hierzulande könnte eine erhöhte Überwachung Aktivist_innen, Journalist_innen und deren Informanten in Gefahr bringen.
«Die Daten werden nur benutzt, um Straf- taten wie Terrorismus oder Kinderpornografie zu bekämpfen.»
Gerade jüngste Ereignisse haben gezeigt, dass Überwachung nicht zur Prävention geeignet ist. Die Anschläge in Paris wurden beispielsweise von Leuten durchgeführt, die zu diesem Zeitpunkt schon überwacht wurden. Sie haben unverschlüsselt per SMS kommuniziert. Die Überwachung hat also nichts gebracht. Wohl lassen sich Straftaten wie Computerbetrug mit Hilfe von Vorratsdaten besser aufklären. Aber legitimiert dies die Überwachung unserer gesamten Kommunikation? Rechtfertigt das einen derart tiefen Eingriff in die Grundrechte aller Bürger_innen, der hauptsächlich ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorruft? Politiker_innen und Ermittler_innen sprechen vor allem aus einem Grund immer wieder von Terrorismus und Kinderpornografie: Diese Straftaten lösen in uns eine emotionale Reaktion aus. Natürlich muss Kinderpornografie und Terrorismus bekämpft werden, nur nicht in einem Rahmen, der uns alle zu potentiellen Verdächtigten macht.
«Gegen Überwachung und Datensammeln von Geheimdiensten sind wir letztlich machtlos.»
Eine solche Aussage spricht für Politikverdrossenheit und ein tiefes Misstrauen gegenüber der Demokratie: Wer wirklich etwas ändern möchte, hat unzählige Möglichen der Partizipation. Protestieren, Demonstrieren, Initiativen lancieren, Petitionen starten und vor allem Wählen(!) sind nur einige Beispiele. Welche Partei verlangt eine wirksame Kontrolle der Geheimdienste? Welche Politiker_innen sprechen sich für mehr, welche für weniger Überwachung aus? Zudem hat jedeR die Möglichkeit, die eigene Kommunikation zu verschlüsseln. Es ist nicht ganz einfach, aber es gibt Programme dafür, welche kostenlos verfügbar sind.