Von Raphael Wyss
Eigentlich sollte mensch meinen, dass in Zeiten von Klimakrise und coronabedingter Homeoffce-Pflicht Strassenausbauprojekte beim Bund einen schweren Stand hätten. Doch weit gefehlt: Allein im Osten Berns
will das Bundesamt für Strassen (Astra) in den nächsten Jahrzehnten mit ganzen vier grossen Vorhaben die Leistungsfähigkeit der Autobahnen A1 und A6 massiv ausbauen. Es handelt sich dabei um die Pannenstreifenumnutzung zwischen Bern und Muri (faktisch ein Sechsspurausbau), die Neugestaltung des Anschlusses Wankdorf und den Achtspurausbau (!) zwischen dem Anschluss Wankdorf und der Verzweigung Schönbühl. Ausserdem soll mittelfristig die A6 zwischen Bern und Muri unterirdisch geführt und das bestehende Trassee zu einer „Stadtstrasse“ umgebaut werden. Begründet werden diese Massnahmen mit dem Auftrag der Engpassbeseitigung. Anders gesagt: Unter dem Vorwand einer Beschleunigung des StrassenTransitverkehrs – an sich schon ein fragwürdiges Ziel – wird Autofahrer*innen der rote Teppich in die Stadt Bern ausgerollt. Den Preis für diese Verkehrspolitik aus
dem letzten Jahrhundert bezahlen die Anwohner*innen
und die Umwelt. Trotz dieser traurigen Tatsache
wehrt sich der Gemeinderat nicht geschlossen gegen den
geplanten Ausbau, der seiner eigenen Verkehrspolitik eigentlich diametral zuwiderläuft. Ein Grund dafür kann in der Stadtsanierung im Ostring gesehen werden, die durch eine künftige Tunnelführung der A6 ermöglicht würde. Das Astra verknüpft diese geschickt mit den anderen Projekten (insbesondere dem in der Stadt besonders umstrittenen Neubau des Anschlusses Wankdorf), obschon eine gegenseitige Abhängigkeit der
Projekte von unabhängigen Sachverständigen bezweifelt wird. Wir bei der JA! sind der Ansicht, dass die vom Bund verordneten Ausbauprojekte nicht einfach so hingenommen werden dürfen – zumal diese nicht nur den
städtischen Interessen, sondern auch den nationalen Klimazielen diametral entgegenlaufen! Beispiele wie die Sistierung des Westast-Projekts in Biel zeigen, dass überdimensionierten Strassenprojekten durch
breit abgestützte Bürger*innenbewegungen erfolgreich entgegengetreten werden kann. Allerdings sitzt das Astra als Bundesbehörde mit politischer Rückendeckung und umfangreichen Ressourcen (noch) klar am längeren
Hebel. Um eine schlagkräftige Opposition aufbauen zu können, ist es deshalb zentral, sich zu organisieren und die Bevölkerung der betroffenen Gebiete über die Projekte und ihre Folgen zu informieren. Zusammen mit
zahlreichen anderen Organisationen engagiert sich die JA! deshalb im Verein Spurwechsel, der die Pläne des Astras in der Region Bern bekämpft. Gemeinsam wollen wir der Autolobby zeigen, dass es in Bern kein Bedürfnis für Autobahnprojekte aus dem letzten Jahrhundert gibt!