von Oscar Hughes
Um eine Aussicht auf Netto-Null-Treibhausgasemissionen innerhalb der nächsten Jahrzehnte zu haben, ist eines unverzichtbar: mehr Strom (trotz aller Sparbemühungen). Denn obwohl wir unser Land gerne als ökologischen Vorreiter ohne fossile Kraftwerke ansehen, wird nur 26 %
der Energie in der Schweiz überhaupt als Strom verbraucht. Circa 60 % des Energieverbrauchs geht dahingegen auf die Verbrennung von Öl, Kohle und Gas zur direkten Erzeugung von Kraft und Wärme zurück, zum Beispiel in der Industrie oder beim motorisierten Individualverkehr. Es gibt reichlich Ansätze, um diese Sektoren ökologischer zu gestalten, die aber meist auf einer Umstellung auf elektrisch betriebene Technologien beruhen. Dieselautos und Benziner werden zum Beispiel durch Elektroautos ersetzt, fossile Heizungen in den Wohnungen durch Solar- oder Windenergie. Damit verbunden ist natürlich ein Anstieg des Stromverbrauchs. Und dafür muss mehr Strom generiert werden.
Falls wir nicht entsprechend mehr Strom produzieren können, muss entweder der Gesamtenergiekonsum sehr stark gedrosselt werden, was angesichts der leider geringen politischen Akzeptanz des Themas Verzicht als Ansatz nur bedingt aussichtsreich ist, oder mehr Strom muss aus den Nachbarländern importiert werden, wo die Stromerzeugung allgemein weniger klimafreundlich ist als in der Schweiz.
Oder es wird einfach nicht genug Energie für diese Vorhaben geben und wir müssen unsere Klimaziele aufgeben – oder wir könnten sogar gleich auf neue Gas- und Ölkraftwerke setzen, wie der Bundesrat Ende September mit der Ausrufung einer drohenden Strommangellage entschieden hat, um den Bau eines gas- und ölbetriebenen Reservekraftwerks in Birr (Aargau) zu ermöglichen. So erreichen wir die Klimaziele aber keineswegs. Daher braucht es dringend einen Ausbau der erneuerbaren Energien. Ein wichtiger Beitrag dazu wäre eine Solarpflicht auf Dächern und Fassaden, wie von den Grünen Kanton Bern gefordert wird.
Aber angesichts der besonders herausfordenden Lage dürfen wir andere Optionen nicht vom Tisch wischen. Inbesondere hat die Wasserkraft als Stromerzeugungsquelle noch etwas Luft nach oben. Dieses Potenzial sollte unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Natur ausgenutzt werden. Deshalb begrüssten nach gründlicher Erwägung die Jungen Grünen Kanton Bern den Ausbau der Wasserkraft im Berner Oberland in ihrer Vernehmlassungsantwort grundsätzlich. Auf nationaler Ebene hat der «Runde Tisch Wasserkraft» 33 Projekte untersucht und die 15 meistversprechenden identifziert, d.h. diejenigen mit den geringsten Auswirkungen auf Biodiversität und Landschaft. Drei davon befnden sich im Kanton Bern und betreffen die Seen Grimsel, Trift und Oberaar. Das Vorhaben Trift unterscheidet sich von den zwei anderen, indem ein ganz neuer Stausee gebaut wird (samt neuem Kraftwerk, Tunnels für den Wasserabfluss und Zufahrtsstollen für die Wartung im Winter). Bei den Vorhaben Grimsel und Oberaar handelt es sich lediglich um eine Staumauererhöhung, wodurch der bestehende See tiefer und breiter wird.
Alle Vorhaben ermöglichen mit dem Ausbau der Stauwasserkapazitäten eine Verlagerung der Energieproduktion vom Sommer in den Winter. Dies ist besonders wertvoll, da der Strombedarf im Winter wesentlich höher ist und andere erneuerbare Energiequellen (z.B. Solar) im Winter weniger Energie erzeugen. Zum neuen Stauseeprojekt Trift gehört auch ebenfalls ein neues Kraftwerk, das zusätzliche Energie generieren wird. Jede Form der Energiegewinnung hat aber im unterschiedlichen Ausmass Auswirkungen auf die Umwelt. Die Wasserkraftprojekte stellen einen Eingriff in die Natur da, die zu Widerstand innerhalb der Umweltbewegung und zur Gründlung des Lokalkomitees ‚Rettet die Trift‘ geführt hat. Zum Bau des Stausees Trift wird ein ganzes Talbecken überflutet. Der Ausbau des Grimselsees bedeutet die Flutung des Gletschervorfelds, eines Teils des Arvenwalds und der Flachmoore in einem Naturschutzgebiet. Die Jungen Grünen Kanton Bern sind der Meinung, dass solche Eingriffe nur angesichts der Dringlichkeit der Lage gerechtfertigt sind und fordern, dass als Ausgleichmassnahme Gebiete von vergleichbarem ökologischen Wert vor zukünftigen Eingriffen geschützt werden. Ausserdem könnten Lebewesen wie die Bachforelle durch eine Reduktion der Durchflussmengen unterhalb der Stauseen gefährdert werden. Daher fordern wir ein ständiges Monitoring der ökologischen Situation und Gegenmassnahmen im Falle einer Gefährdung von Lebewesen.