und helft den Populismus zurückzudrängen
«Lassen Sie Ihre Haustüre sperrangelweit offen, damit jeder hereinkommen kann?» [1] Dies ist ein Werbespruch für die Kündigungs- / Begrenzungsinitiative und Metapher für die Schweiz als dein Haus, welches vor den bösen Nachbarn, sprich Bewohner*innen der Nachbarländer, geschützt werden muss. Tatsächlich schliessen die meisten von uns die Haustüre ab, aber nicht weil wir pauschal Angst vor den Nachbarn haben, sondern weil es Einbrecher gibt. Nachbarn sind dabei überhaupt nicht das Problem. Wir profitieren gar von ihnen, weil sie die Polizei rufen, wenn jemand bei uns einbricht. Ausserdem ist ein Leben in einer Nachbarschaft, die nicht von Misstrauen geprägt ist, viel angenehmer. Man kann etwa die Kinderbetreuung etwas aufteilen oder zum Beispiel den Rasenmäher teilen und Eier ausleihen, wenn man vergessen hat diese einzukaufen.
Genauso verhält es sich auch mit den Bilateralen. Die Schweizer Bevölkerung profitiert mehr, als alle anderen Bewohner der EU vom Binnenmarkt in Europa [2]. Bei einer Auflösung des Binnenmarktes würden die Löhne nirgends stärker sinken als hier in der Schweiz. Eine Kündigung würde die Schweiz ins Abseits manövrieren und somit auch das Lohnniveau senken. Europa würde weiter gehen, die Schweiz alleine stehen bleiben. Ausserdem sind wir auf Einwanderung angewiesen. Wie sonst sollen die jungen Menschen in der Schweiz für alle Babyboomer sorgen, welche nächstens in Rente gehen? Wer soll ihre Renten bezahlen? Wer soll sie Pflegen? Die Schweiz kann nicht mehr ohne Einwanderung. Die Schweiz ist nach Luxemburg das bevölkerungsvielfältigste Land in Europa [3]. Die Schweiz sollte stolz darauf sein, dass wir nicht nur vier Landessprachen und -teile haben, sondern dass wir auch mit vielen anderen Kulturen zurechtkommen, sie integrieren und dadurch unsere eigene Kultur weiterentwickeln.
Die Kündigungs-/ Begrenzungsinitiative ist ein rein populistisches Vehikel um einmal mehr Angst vor Ausländern zu verbreiten. Dies hilft den rechtspopulistischen Parteien ihre Wähler bei Laune zu halten, ansonsten hilft das niemandem weiter. Es ist in etwa wie wenn man neue Nachbarn, aus Angst sie könnten einem Böses wollen, nicht ins Quartier lassen würde. Man verpasst damit grosse Chancen. Die Nachbarn hätten einem vielleicht gerne ihr Auto / Cargobike das eine oder andere Mal ausgeliehen, die Pflanzen während den Ferien gegossen oder die Katze gefüttert.
Ein weiterer Aspekt der Kündigungs- / Begrenzungsinitiative, der häufig verloren geht, ist dass es bei einer Annahme für die Schweizer Bevölkerung viel schwieriger wird, ins Ausland arbeiten oder studieren zu gehen. Wir würden uns somit sozusagen selbst einsperren. Wir würden uns in unserem Quartier verschanzen und könnten nicht mehr umziehen. Momentan wohnen rund 420’000 Schweizer*innen in den EU-Staaten [4], deren Aufenthaltsstatus an ihrem Wohnort wäre infrage gestellt.
Auch ist die Schweiz als kleines Land besonders auf gute Internationale Kooperation angewiesen. Gerade in Krisenzeiten profitiert die Schweiz enorm von UNO, WHO, EU etc. Die Kündigung der bilateralen Abkommen würde den guten Draht, den die Schweiz zur EU hat, beschädigen. Um auf das Beispiel des Quartiers zurückzukommen, wäre das etwa so, wie wenn man mit den Nachbarn ein so schlechtes Verhältnis hätte, dass man nur noch durch die Polizei Kontakt hätte. Für jedes Auto, das auch nur Zentimeter neben dem Parkfeld stehen würde, käme die Polizei, für jedes Mal Rasen mähen vor 14:00 am Mittag, käme die Polizei.
Da wir in einer besseren Nachbarschaft wohnen wollen und nicht in unser Quartier gesperrt sein wollen, sagen wir NEIN zur Begrenzungsinitiative. Für eine gute Nachbarschaft.
Lorenz Jordi
1: SVP Schweiz, Argumente, , https://www.begrenzungsinitiative.ch/argumente/
2: Prof. Giordano Mion (University of Sussex,CEP, CEPR, CESifo, NIESR)Dr. Dominic Ponattu (Bertelsmann Stiftung, Programme Europe’s Future), Estimating economic benefits of the Single Market for European countries and regions, 2019, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/ EZ_Study_SingleMarket.pdf
3: Rico Bandle, Ganga Jey Aratnam, Es sollte Integrationskurse für Schweizer geben, 09.08.2020, https://www.derbund.ch/es-sollte-integrationskurse-fuer-schweizer-geben-646210628393
4: Courage-Civil, Aktuell, 2020, https://www.courage-civil.ch/kampagne-gegen-die- kuendigungsinitiative-ist-lanciert/