Stimmrechtsalter 16: Wir fordern ein gleiches Mitspracherecht für alle!

Endlich! Dank Einsatz der GRÜNEN im Grossrat will der Kanton Bern das Stimmrechtsalter 16 einführen. Doch es braucht mehr: Ausnahmslos allen Menschen soll ein gleiches Mitspracherecht zustehen – auch Jugendlichen und Ausländer*innen.

Dass sich 16- und 17-Jährige heute nicht in der institutionellen Politik einbringen dürfen, ist für uns unverständlich. In diesem Alter wird jungen Menschen beispielsweise zugetraut, sich für eine Ausbildung zu entscheiden, Alkohol zu konsumieren und sexuell mündig zu sein. Wer in der Lage ist, so wichtige Entscheidungen für sich selber zu treffen, kann auch kollektiv Verantwortung übernehmen. Dass junge Menschen in der Politik mitreden können, ist sogar besonders wichtig, denn es ist unsere Zukunft, die vom heutigen (Nicht)handeln abhängt.

Der Kanton Bern will nun das aktive Stimmrechtsalter 16 einführen, nicht aber das passive. Das heisst: 16- und 17jährige könnten neu abstimmen und wählen, ohne selber kandidieren zu dürfen bzw. gewählt werden zu können. Diese Aufteilung ist unsinnig. Sie suggeriert, dass 16- und 17-jährige zwar in der Lage sind, sich eine Meinung über ein politisches Geschäft zu bilden und über verschiedene Inhalte zu urteilen – jedoch nur zu Hause beim Ausfüllen des Abstimmungs- und Wahlzettels, nicht aber als Mandatsträger*in in einem Parlament.
Heute sind die jüngsten Vertreter*innen in den Parlamenten oft schon weit über 20 Jahre alt, weil die Wenigsten gleich als 18jährige das erste Mal kandidieren können und bei der ersten Kandidatur gewählt werden. Wenn wir auch die Altersgrenze für das passive Stimmrechtsalter auf 16 Jahre senken, können wir dem entgegenwirken und junge Menschen fortan besser repräsentieren.

Nicht nur Jugendliche sind heute in den Parlamenten nicht vertreten, sondern auch Ausländer*innen werden durch einen konsequenten Ausschluss von der institutionellen Politik diskriminiert. Nicht die Passfarbe soll darüber entscheiden, wer das Recht auf Mitbestimmung hat, sondern in erster Linie der Wohnort und der Lebensmittelpunkt einer Person. Wer in einer Gemeinde, einem Kanton oder einem Land lebt, soll seine oder ihre Umgebung gestalten dürfen, auch auf dem politischen Weg. Gleich wie beim Stimmrechtsalter 16 sollte der Kanton hier endlich den Weg frei geben und progressive Gemeinden wie die Stadt Bern, die eine Ausweitung der demokratischen Rechte anstreben, nicht länger zurückhalten.

Die Möglichkeit, sich im politischen Prozess einbringen zu können, ist aber nicht nur eine Frage der gesetzlich festgehaltenen Rechte, sondern auch zeitliche und finanzielle Mittel sowie der Bildungsgrad bestimmen, welche Möglichkeiten des Engagements eine Person hat. Eine Ausdehnung der politischen, institutionellen Mitspracherechte in juristischem Sinne ist also nur ein Schritt in die richtige Richtung. Wir brauchen zusätzlich faire Rahmenbedingungen – etwa gerechtere Bildungschancen und diversere Mitwirkungsformen innerhalb und ausserhalb der Institutionen – damit alle Menschen gleichberechtigt partizipieren können.

Von Saskia Rebsamen