#ShutDownORS und #StopIsolation


Von Amira Kenney
Es handelt sich um einen Misserfolg. Immer wieder wird die ORS Service AG von geflüchteten und nicht-geflüchteten Aktivist*innen sowie solidarischen Organisationen auf die Gefahr einer Covid-Infektion ingewiesen, der sie die Menschen in den von ihr verwalteten Asylcamps aussetzt. Mit der Petition #ShutDownORS sollte erreicht werden, dass die ORS Service AG ihre Leistungsaufträge entzogen bekommt. Die Petition ist jetzt vom Regierungsrat abgeschmettert worden. Die Kritik wird in einem Antwortschreiben des Regierungsrats in Gänze zurückgewiesen und der ORS Service AG ein Lob ausgesprochen: „Nach einer umfassenden Auseinandersetzung mit den von Ihnen vorgebrachten Vorwürfen stützt und würdigt der Regierungsrat die Arbeit der ORS.“ Zu den Kritikpunkten gehörte der Mangel an ausreichenden Isolationsmöglichkeiten für die Menschen in den Camps während der CoronaPandemie, die zögerliche und unzureichende Ausstattung mit Schutzmaterialien wie Desinfektionsmitteln und Masken sowie das Fehlen – bzw. die nur auf Drängen erfolgte Bereitstellung – separater Sanitäranlagen
usw. Die Ansteckungsgefahr wurde nicht in ausreichendem Masse anerkannt. Ob bzw. wie eine Überprüfung der besagten Kritikpunkte der geflüchteten Menschen in den Rückkehrzentren erfolgt ist, geht aus der Antwort des Regierungsrates nicht hervor. Bezeichnend ist jedoch, dass den in den Camps Untergebrachten direkt Betroffenen offenbar
nicht geglaubt wird. Die Antwort geht auf keinen der Kritikpunkte ein, obwohl ein Rundschaubericht in den von der ORS betriebenen Bundesasylzentren mehrere Vorfälle von Gewalt gegen geflüchtete Menschen durch das Sicherheitspersonal aufgedeckt hatte. Nachdem die
Behörden bereits seit Langem von der Kritik gewusst haben, reagierte das SEM jetzt endlich und setzte eine Untersuchungskommission ein. Die asylsuchenden Menschen in den Camps waren auch in dieser Angelegenheit monatelang nicht angehört worden.
#StopIsolation
Mit der Kampagne #StopIsolation ruft das Solinetz Bern
zum Widerstand gegen die Rückkehrzentren auf, die im
Kanton Bern neu entstanden sind. Dazu sind Geldmittel
und Menschen erforderlich, die mit dem Migrationsdienst einen Vertrag eingehen, dass sie ihren Wohnraum mit Betroffenen teilen.


Asylsuchende in der Nothilfe abgewiesen
Einzig und allein das Nothilfe-Regime bieten den in die Schweiz geflüchteten Menschen mit negativem Asylbescheid «Unterstützung». Die Nothilfe wird durch Artikel 12 der Bundesverfassung geregelt. Diesem gemäss dient die Nothilfe dazu, allen Menschen in Not ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen. Bedauerlicherweise existiert momentan ein Missbrauch der Nothilfe als Anreizsystem, welches die Menschen aus diesem Land vertreiben soll. Inzwischen ist sie nur noch ein Instrument zur Lebenserhaltung der Betroffenen mit dem Ziel eines möglichst elenden Daseins. Diese Tatsache wird von den Behörden noch nicht einmal bestritten. So heisst es zum Beispiel im Leistungsvertrag von 2011 zwischen einer kantonalen Migrationsbehörde und einer der Zentren leitenden Organisation bezüglich der Ziele und Zwecke des Nothilfelagers: «Ein Nothilfelager bildet das letzte Auffangnetz für Ausreisepflichtige (…). Das festgelegte Setting soll dazu beitragen, dass Ausreisepflichtige sich rasch darum bemühen, selbstständig die Schweiz zu verlassen». Beschäftigung, Mobilität und Privatsphäre sind Mangelware. Diese menschenunwürdige «Hilfe» fordert einen entsetzlichen Tribut: Täglich kommt es zu physischen und auch psychischen Schäden. Darüber hinaus nimmt die Perspektivlosigkei vielen die Hoffnung auf so etwas wie «Normalität». Weil aber eine Rückkehr in die ursprüngliche Heimat teils gar nicht möglich ist oder wegen noch schlimmerer Bedingungen oder aus Angst vor Folter und Tod keine Option ist, ertragen erstaunlich viele Betroffene jahrelang diese Bedingungen. Wer im Kanton Bern einen negativen Asylbescheid erhält, wird zeitnah in neu errichtete Rückkehrzentren umgesiedelt. Bereits heute leiden die abgewiesenen Asylsuchenden unter dem Schweizer Nothilfe-Regime und seiner Menschenunwürdigkeit. Die Lebensbedingungen der Betroffenen verschlechtern sich durch die neuen Rückkehrzentren gewaltig, da Lebensqualität und Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt werden Man verhindert gezielt die Teilhabe der Abgewiesenen an der Gesellschaft und isoliert sie weitgehend. Die JA! ist fest davon überzeugt, dass der Aufenthaltsstatus nicht das Recht auf Teilhabe bestimmt, weshalb wir besagte Zustände weder akzeptieren können noch wollen. Wer hier lebt, muss auch Teil der Gesellschaft sein!


Rückkehrzentren als «Isolationszentren»
Zusätzlich zum derzeitigen Nothilfe-Regime verschlimmert sich die menschenunwürdige Situation im Kanton
Bern momentan zu allem Überfluss auch noch. Einem
Beschluss des Grossen Rats in der Wintersession 2019
gemäss sollen die im Kanton Bern abgewiesenen Asylsuchenden jetzt in neuen Rückkehrzentren untergebracht werden.
Hunderte von Geflüchteten werden jetzt von ihrem
derzeitigen Aufenthaltsort, wie etwa einer Wohnung
oder einer Asylunterkunft, in die drei neu errichteten
Rückkehrzentren in Biel, Aarwangen und Gampelen umgesiedelt. Diese knapp 550 Abgewiesenen, von denen rund 100 minderjährig sind, werden nun also aus ihren sozialen Netzwerken herausgerissen. Es ist quasi unmöglich, bei der durch die knapp bemessene Nothilfe und die restriktive Melde- und Anwesenheitspflicht stark begrenzten Mobilität die gesellschaftliche Einbindung aufrechtzuerhalten. Die neuen Isolationszentren sind sehr abgelegen und Geldmittel für öffentliche Verkehrsmittel nicht vorgesehen. Die Rückkehrzentren verschärfen das Notfall-Regime eindeutig noch weiter. Ihr einziges Ziel ist die Isolation der abgewiesenen Asylsuchenden. Außerdem sind die
bevorstehenden Zustände in den von der gewinnorientierten Firma ORS geführten Isolationszentren sehr restriktiv. Die Auszahlung der Fr. 8.-/Tag zum Überleben ist an die tägliche Unterschriftspflicht gebunden. Es ist den betroffenen Menschen nicht gestattet zu arbeiten. Die Lebensqualität und die Bewegungsfreiheit der Betroffenen unterliegen somit massiven Einschränkungen. Es wird gezielt verhindert, dass sie an der Gesellschaft teilhaben.


Solidarität durch private Unterbringung

Vorausgesetzt, dass die Betroffenen keine Nothilfe mehr beziehen, gestattet der Kanton als alternative Option zum Rückkehrzentrum, dass sie bei Dritten untergebracht werden. Es ist also möglich, die Betroffenen
vor dem Leben in den Isolationszentren zu bewahren,
wenn nur eine ausreichende Anzahl an solidarischen
Privatpersonen
• ein kostenloses/günstiges Zimmer bereitstellt,
• für die Ausrichtung der Nothilfe aufkommt
• und einen entsprechenden Vertrag mit dem Migrationsdienst eingeht.


Pro Person betragen die Nothilfekosten im Jahr 2’880
Fr. Um ein Jahr lang allen rund 550 Betroffenen im Kanton Bern die Unterbringung im Isolationszentrum zu ersparen, würde also ca. 1’580’000 Franken gebraucht. Mit einem Betrag von jährlich 158 CHF oder ca. 13 Franken monatlich pro solidarischer Person, sollte dies
umgesetzt werden können. Die Kampagne #StopIsolation wird von der JA! unterstützt. Viele Geflüchtete könnten durch diese Lösung
eine Chance auf eine dezentrale Unterbringung bekommen und psychische Schäden durch ein Dasein im Isolationslager vermieden werden.