ja!rgon Nr.3 - Juni 2007


EditorJA!l
Der Sommer 2008 ist ein Stichdatum in Bern. Der Bahnhofplatz soll rechtzeitig zum Anspiel der Europameisterschaft fertig sein. Gleichzeitig sollen auch alle jene aus dem Berner Stadtbild verschwunden sein, die nicht ins Bild des schönen Berner Museums passen.

Die Junge Alternative JA! stellt deshalb diesen JA!rgon unter das Thema «öffentlicher Raum». In verschiedenen Artikeln wollen wir aufzeigen, wo die JA! in nächster Zeit bei der Verteidigung des öffentlichen Raums vor den Interessen jener, die aus Bern am liebsten ein Postkartensujet machen würden, dabei sein wird.

Im Sommer 08, wenn die Säuberung der Stadt beendet ist, wird es wohl zu spät sein, Widerstand zu leisten. Die JA! versucht jetzt Gegensteuer gegen den Sauberkeitswahn des Berner Gemeinderats zu geben. Das Beispiel Gassenküche zeigt, dass dieser Widerstand Potential hat und dem Gemeinderat Einhalt geboten werden kann.

Damit sich die JA! weiterhin für ein offenes und tolerantes Bern engagieren kann, ist sie auf Unterstützung angewiesen. Aus diesem Grund liegt dem JA!rgon ein Einzahlungsschein bei.

Samuel Durrer
 


Wir sind auch alle!
Der Gemeinderat will für den neuen Bahnhof(platz) ein Nutzungskonzept erstellen, in dem fest-geschrieben wird, wer und was alles keinen Platz mehr im gestylten, aber sterilen Bahnhof haben wird. Die JA! wehrt sich dagegen mit einer Petition.

Heute wird auf dem Bahnhofplatz gebaut, gelärmt und gearbeitet. Der Umbau bringt Unannehmlichkeiten mit sich, das ist verständlich. Aber schliesslich sind wir ja bereit, einiges zu ertragen, wenn uns ein so verheissungsvolles Projekt wie der Bahnhofplatz 08 versprochen wird. Schick wird’s aussehen mit Baldachin und freiem Platz. Eine ästhetische Sache soll dieser zentrale Ort werden.

Doch der Gemeinderat scheint sich nicht einfach so zu freuen. Er hat Angst. Und darum hat er angekündigt, ein Nutzungskonzept für den Bahnhofplatz auszuarbeiten. Was das bedeutet, ist klar – Gassenküche, Alkistübli, Veloparkplätze, die Ausübung von politischen Rechten, Picknicken, Verweilen oder einfach nur absitzen soll verboten werden. Oder jedenfalls aus dem Perimeter Bahnhof ausgelagert werden. Dasselbe gilt für Leute, welche nicht ins gemeinderätlich bestimmte Schema passen.

Das hatten wir ja alles schon mal. Der Wegweisungsartikel, die Bahnhofordnung 2004, die dank Protesten der JA! und anderen fallen gelassen wurde, die Benützungsordnung der Grossen Schanze – all diese Reglemente gehen in dieselbe Richtung. Neu ist nur, dass es den ganzen Bahnhof, inkl. Platz betreffen soll und neu ist auch, dass diese Bestimmungen nun von einer rot-grünen Mehrheit im Gemeinderat mitgetragen werden.

Dieser neue „Sauberkeitswahn“ ist ein Phänomen, gegen welches wir in Zukunft weiterhin ankämpfen müssen. „Sauberkeit“ das heisst also, dass zugunsten einer EURO 08, einer Tourismusstrategie und kommerziellen Interessen Privater der Schein gewahrt wird – auch wenn die Probleme damit ungelöst bleiben. Diese „Sauberkeit“ ist ausgrenzend, sie ist Ausdruck einer neoliberalen Logik, in der Kommerz und Konsum vor Grundrechten oder Integration stehen.

Damit dieses Nutzungskonzept nicht zu einem Nutzungsverbot wird, hat die JA! die Petition „Der Bahnhof gehört allen!“ lanciert. Sie wird von verschiedenen Parteien mitgetragen. Damit sollen Vorstösse im Stadtrat zum Thema unterstützt werden und Druck aufgebaut werden. Bitte unterschreibt den beiliegenden Bogen, gebt ihn weiter, sammelt selber, bestellt Material und kommt mit uns auf die Strasse – denn wir lassen uns nicht vertreiben! Wir sind auch alle!

Rahel Ruch


Wir sind gekommen um zu bleiben!
JA! Frauen sind beteiligt an der Organisation der women reclaim the streets zum dies-jährigen Frauenstreiktag. Das Motto lautet: Frauen nehmt euch euren Raum!

16 Jahre sind es her seit dem Frauenstreik vom 14. Juni 1991. An diesem Tag gingen tausende von Frauen in der ganzen Schweiz auf die Strasse und forderten ihre Rechte. Wie sieht es heute aus mit den Rechten der Frauen? Überall wird dargestellt, dass Frauen gleichgestellt sind und Feminismus kein Thema mehr ist. Junge Frauen wachsen auf und sind überzeugt, dass ihnen die ganze Welt offen steht. Doch wer nimmt Raum ein in der heutigen Welt, z.B. an der Uni? Obwohl mittlerweile mehr Frauen als Männer studieren, gibt es erst 10% Professorinnen! In der institutionellen Politik? Männer dominieren Parlamente, Regierungen und die Medien. Im Berufsleben? Frauen verrichten immer noch den grössten Teil der Haus- und Familienarbeit. In der Musik? Es gibt kaum bekannte Frauenbands, geschweige denn Frauen, die sich an die Weltspitze rappen ohne zum Sexobjekt gemacht zu werden. In der Literatur? An der Mundartnacht der Solothurner Literaturtage treten 10 Männer auf und keine einzige Frau.

Auch der öffentliche Raum, Beizen, Plätze, Pärke, Sportplätze wird von Männern und Jungs dominiert. Männer bevölkern den Stammtisch, Jungs hängen nachts in der Aarbergergasse rum. In der Nacht sind kaum Frauen allein unterwegs.
Es kann aber nicht sein, dass der Hälfte der Menschheit so viel Raum verschlossen bleibt, gerade hier, in der „zivilisierten“ Schweiz! Das neoliberale, von Männern dominierte, System will uns mit ihrem Überwachungswahn und der schrittweisen Militarisierung eine falsche Sicherheit vorgaukeln. Doch wir wollen euren Staatsschutz nicht!

Frauen, gebt euch nicht damit zufrieden, in euren eigenen vier Wänden zu verweilen. Frauen traut euch, macht wendo, erobert euch die Nacht zurück!

Darum kommt am 14. Juni 07 an die women reclaim the streets! Treffpunkt: 19.00 Uhr Helvetiaplatz, Bern. Solidarische Männer sind herzlich willkommen!

Anne Wegmüller

 


Politsüppchen kochen
Die Gassenküche ist in den Medien so präsent wie seit Langem nicht mehr. Ihr wird vorgeworfen jeglichen Dialog mit der Stadtregierung zu verweigern. Hat sie vielleicht ihre Gründe dazu?

Im momentanen Streit um den geeigneten Standort der Gassenküche geht es der Regierung offenbar nicht darum, wirklich die Probleme zu beheben, sondern sie einmal mehr diskret unter den Teppich zu kehren. Im Ordnungs- und Sauberkeitswahn werden „randständige Menschen“ gerne dahin verwiesen, wo sie hingehören: An die Hodlerstrasse - an den Rand, eben.

Statt sich zu fragen, warum es eine autonome Gassenküche eigentlich braucht, wird darüber beratschlagt, wo sie am wenigsten sichtbar wäre. Statt sich bei den jungen Menschen der SchülerInnenkoordination respektvoll zu zeigen für die niederschwellige, wertvolle Sozialarbeit, die sie Sonntag für Sonntag gratis erbringen, verhindert die Polizei auf Befehl des Gemeinderats die friedliche Essensausgabe mit Tränengas.

Indem die Gassenküche für allen Dreck verantwortlich gemacht werden kann, dient sie als idealer Sündenbock um von den eigentlichen Problemen und deren Ursachen abzulenken. Ist die Gassenküche dafür verantwortlich, dass gefixt wird? Dass es andere Menschen als den vielbesungenen Mittelstand gibt, z.B. RentnerInnen, die am Sonntagabend ihre einzige warme Mahlzeit der Woche essen gehen? Nein! Aber sie ist dafür verantwortlich, dass Probleme und Mängel unseres Gesellschaftssystem sichtbar werden.

Die Gassenküche will und soll anecken. Sie will und soll ein Zeichen setzen gegen die aktuelle Wirtschafts- und Drogenpolitik. Wenn sie eines Tages nicht mehr benötigt wird, hat sie ihr Ziel erreicht. Und soll sie wirklich um Erlaubnis fragen, damit sie sich um die Probleme der Stadt Bern kümmern darf? Soll sie sich mit Regierungsmitgliedern an einen runden Tisch setzen, um sich mitteilen zu lassen, wo sie toleriert wird und wo vor allem nicht? Kann es in einem Land mit Versammlungsfreihet verboten sein, an öffentlichen Orten Essen gratis abzugeben?

Die JA! solidarisiert sich mit der autonomen Gassenküche und fordert den Gemeinderat dazu auf, die Probleme, die im Drogenbereich auftauchen lösungsorientiert anzugehen, statt sie zu verdrängen.

Iris Balmer
 


Kohle statt Tore
Im Sommer 2008 sollen in Bern drei Spiele der Europameisterschaft stattfinden. Diese kosten die öffentliche Hand 5,6 Millionen Franken.

Unvergessliche Momente sollen im Sommer 2008 im Berner Wankdorf stattfinden. Die StimmbürgerInnen haben am 17. Juni 07 über den Euro-Kredit zu befinden. Der Stadtrat empfieht die 5,6 Millionen zur Annahme. Stossend an dieser Vorlage ist verschiedenes. So zuerst die Tatsache, dass sich die Berner Bevölkerung erst zu einem Zeitpunkt über die Euro äussern kann, wenn diese bereits beschlossene Sache ist.

Die Ausgaben für Sicherheit und Verkehr werden als Sachzwänge dargestellt, ohne die, die Euro gar nicht durchgeführt werden kann. Die Durchführung der Euro an sich wurde hingegen nur von den privaten Konzernen UEFA und SFV beschlossen. Genau diese Konzerne sind es auch, die Profit aus der Euro schlagen können. Die UEFA rechnet mit einem Gewinn von 1,3 Milliarden Franken aus der Durchführung der Europameisterschaft. Die Kosten für ihren Anlass, sollen aber der Allgemeinheit aufgebürdet werden. Um ihre Gewinne einfahren zu können, hat die UEFA den Public Viewing Bereichen ein rigides Sponsoringreglement auferlegt, nur ihre SponsorInnen können Werbung machen oder Bier ausschenken. Zudem sollen zu diesen eingezäunten Bereichen Zugangsbeschränkungen herrschen, sprich der öffentliche Raum soll für die Zeit der Euro privatisiert werden.

Auf der anderen Seite gilt es festzuhalten, dass die Stadt Bern im Quervergleich zu anderen Austragungsstädten gut verhandelt hat und der UEFA Konzessionen abringen konnte. Zudem verknüpft der Gemeinderat geschickt die Ausgaben für die Sicherheit mit dem Aufbau von professioneller Fanarbeit in Bern, die auch nach der Euro weitergehen soll und den Fans des BSC Young Boys wertvolle Dienste leisten wird.

Die Junge Altlernative JA! kann nicht Ja sagen zu einer Euro, die erst in zweiter Linie ein Fussballfest und in erster Linie der Goldesel für die UEFA sein soll. Sie kann aber auch nicht Nein sagen, zur dringend nötigen Fanarbeit in Bern. Sie empfiehlt deshalb, den Stimmzettel leer einzulegen, um gegen die Kommerzialisierung des Fussballs und die Privatisierung der Stadt Bern während der Euro zu protestieren.

Samuel Durrer
 


ja!infos

Gute Nacht G8: eine andere Welt ist möglich!

Vom 6. bis 8. Juni 07 treffen sich die Regierungen der sieben wichtigsten Industrieländer und Russlands zum „G8-Gipfel“ in Heiligendamm. Die Politik dieser selbsternannten Weltregierung ist geprägt von Kriegen, Hunger, sozialer Spaltung und Umweltzerstörung. Aber die „Mächtigen“ dieser Welt werden nicht alleine in Heiligendamm sein: Velokarawanen und Sonderzüge aus ganz Europa bewegen sich Richtung Rostock, um am 2. Juni an der internationalen Grossdemo gegen den G8 Gipfel zu protestieren.

Heiligendamm braucht Gipfelstürmerinnen und Zaunkönige, um den „Mächtigen“ dieser Welt zu zeigen, dass wir ihre Politik nicht länger akzeptieren! Die JA! ist dabei.



Mischkultur macht Kultur

Die Junge Alternative JA! steht den städtischen Subventionsverträgen mit den fünf grossen Kulturinstitutionen für die Jahre 2008 bis 2011 kritisch gegenüber. Grundsätzlich begrüssen wir selbstverständlich, dass mehr Gelder in die Kulturförderung fliessen sollen. Dass jedoch 70 Prozent von den städtischen Subventionen für die Kassen der fünf grossen Kulturinstitutionen bestimmt sind, kritisiert die JA!. Kulturgelder müssen mehrheitlich direkt zu KünstlerInnen und den kleinen KulturanbieterInnen fliessen. Vielfalt in der Kulturwelt kommt von kleinen, differenzierten und wandelfähigen KulturanbieterInnen und nicht von grossen, kalten und halb-leeren Räumen am Stadtrand.



JA!parolen
Abstimmungen vom 17. Juni 2007

Städtisch:
Nein zu den Subventionsverträgen der Kulturinstitutionen
Ja zum Tram Bern West
Nein zur Überbauungsordnung Uferschutzplan Klösterli-/altes Tramdepotareal „Bärenpark“
Kredit Euro 08 leer einlegen

Kantonal
Ja zur kantonalen Strategie für Agglomeration und regionale Zusammenarbeit

National:
Nein zur 5. IV-Revison