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ja!rgon Nr. 1 - März 2006
EditorJA!l
Wer die Wahl hat, hat
die Qual…
In den nächsten Tagen ist es soweit, die Wahlprospekte für den Gross- und
Regierungsrat des Kantons Bern flattern in unsere Briefkästen.
Durch die Wahlkreisreform, sowie die Verkleinerung des Grossen Rates von 200
auf 160 ParlamentarierInnen hat die JA! als kleine, urbane, junge und
unabhängige Partei leider keine Chance mehr einen Sitz zu machen. Wir haben
uns deshalb entschlossen, nicht anzutreten und unsere Zeit und Energie für
politische Inhalte statt für eine Wahlkampagne zu verwenden. Ein Beispiel
dafür ist die Veranstaltungsreihe gegen sexistische Werbung, welche mit
einem Vortrag von Andrea Maihofer am 22. März beginnen wird (siehe Beilage).
Nebst dem Grossrat wird auch die Exekutive des Kantons Bern gewählt. Vier
Bisherige treten nicht mehr an. Grund genug, um den Versuch zu starten, eine
Rot-Grüne Mehrheit zu erlangen. Doch genau die drei neuen Kandidaten (nur
Männer!!!) von RGM sind mit ihrem politischen Profil aus Sicht der JA! keine
überzeugende Alternative. Die Devise wird dehalb wohl sein: Wähle das
kleinere Übel!
Anne Wegmüller
Freiraum für Bildung?
Seit fünf Monaten existiert das alternative Bildungszentrum denk:mal in
Bern. Eben erst wurden die Aktivitäten ins Leben gerufen – nun müssen die
InitiantInnen schon ums Überleben ihres spannenden Projekts bangen. Lukas
Wegmüller hat mit dem denk:mal – Kollektiv gesprochen.
Die alternative Bildungsstätte entstand aus Kritik am Bildungssystem und an
der Art und Weise, wie Bildung in unserem Land definiert und praktiziert
wird, denn dieses System beruhe auf Zwang und sei sehr hierarchisch
organisiert. Die einzige Funktion der Ausbildung sei dabei, den Menschen zu
einem funktionierenden und braven Rad im System zu machen. Die
Eigeninitiative werde nicht gefördert, sondern eher unterdrückt. Damit werde
der Mensch zu einem unmündigen Wesen erzogen und das könne nicht unterstützt
werden, so die GründerInnen des denk:mal.
Mit der Überzeugung, dass Kritik am bestehenden Bildungssystem nicht
ausreicht, schritten die InitiantInnen des denk:mal zur Tat und machten sich
an den Aufbau eines alternativen Bildungsangebots. Mit einigem Erfolg:
denk:mal ist heute ein Sammelsurium von Ideen und Entfaltungsmöglichkeiten.
Es gibt Kurse, Workshops und kulturelle Veranstaltungen. Unter anderem
werden ein Bierkurs und verschiedenste Sprachkurse wie z.B. Deutsch- und
Spanischlehrgänge angeboten. An den Abenden gibt es Konzerte oder
Lesezirkel. Da alle Kurse und Veranstaltungen gratis sind, wird das Angebot
vor allem durch Kollekten und private Spenden der Leute aus dem
denk:mal-Kollektiv, aber auch durch eine Spende der SUB (Studierendenschaft
der Uni Bern) finanziert.
Nach diesen fünf Monaten kann nun gesagt werden, dass das Interesse der
Bevölkerung am Angebot des denk:mal sehr wohl vorhanden ist und die
Organisation durch die AktivistInnen problemlos gemeistert wird. Dieser
Tatsache zum Trotz, weigert sich der rot-grüne Gemeinderat jetzt aber,
denk:mal weiter in den Baracken an der Bolligenstrasse wirken zu lassen.
Lieber werden die Baracken an Gewerbler vermietet, die ortsübliche Mieten
zahlen und weniger unangepasst leben als die Leute vom denk:mal. Als
Reaktion darauf versuchten die InitiantInnen des denk:mal, durch
Kontaktaufnahme zu linksgrünen StadträtInnen den Standort behalten zu können
oder wenigstens Alternativmöglichkeiten zu finden. Die JA! hat sich in
diesen Diskussionen engagiert für das denk:mal eingesetzt, doch bisher sind
noch keine Verhandlungsergebnisse auf dem Tisch. Sicher ist nur, dass das
denk:mal auf Ende März das Terrain räumen muss, da der Vertrag mit der Stadt
abläuft und diese schon mit Nachmietern Verträge abgeschlossen hat. Nun
werden weiterhin alternative Standorte gesucht. Allerdings kommt aus Sicht
der denk:mal - Leute nicht vieles in Frage. Ein Platz, der noch weiter vom
Zentrum entfernt ist, wäre äusserst ungünstig und deshalb für das Kollektiv
unakzeptabel. Der Platz müsse ja in einer gewissen Zeitspanne vom
Stadtzentrum erreichbar sein, sonst sei ein Überleben der Bildungsstätte gar
nicht möglich.
Aufgrund der heutigen Ausgangslage ist deshalb unklar, wie es weiter gehen
soll. „Klar ist aber, dass es weitergehen wird,“ sagt Andres vom denk:mal –
Kollekiv. Es kann nicht sein, dass die enorme Eigeninitiative der denk:mal –
Leute einfach im Keim erstickt wird, nur weil ihre Ideen und Überzeugungen
den herkömmlichen Rahmen sprengen.
Lukas Wegmüller und Rahel Ruch
Von den Autos
Dem Erschrecken, welches durch die erhöhten Feinstaubwerte ausgelöst wurde,
folgte bald Ernüchterung: Statt konkrete Massnahmen in Angriff zu nehmen,
verschwand das Thema ins Nichts.
Was mit all den rauchfreien Bahnhöfen nicht erreicht werden kann: saubere
Luft in der Stadt. Das wissen eigentlich auch alle, dennoch scheint der
„Komfort“ des Autofahrens mehr wert zu sein als frische Luft ohne
krebserregende Stoffe. Um so erstaunlicher, dass offenbar mit den anhaltend
hohen Feinstaubwerten im Januar für einmal nicht nur die Toleranz auf den
Messtabellen überschritten wurden, sondern auch diejenigen der Leute.
Vielleicht darum fuhren plötzlich alle Automobilen brav 80 km/h auf der
Autobahn. Auch wenn die Wirkung der reduzierten Fahrgeschwindigkeit alles
andere als unumstritten ist, darf das Verändern des Verhaltens nicht
vernachlässigt werden! Es zeigt nämlich, dass eine breite
Bevölkerungsschicht handlungsbereit ist, wenn nur die Regierung dahinter
steht und die Medien mit grossen Artikeln auf die Problematik aufmerksam
machen.
Ernüchternder hingegen ist es, wie wenig tatsächlich aus der im Januar
erreichten Sensibilität gemacht wurde. Mit dem Hochnebel hat sich nämlich
auch das Interesse für das Thema aufgelöst - das Problem bleibt aber
weiterhin ungelöst. Solange es nämlich nur von den Launen der Wolkendecken
oder der Sonneneinstrahlung abhängt, ob Fussgänger und Velofahrerinnen an
den Ozonwerten oder an Feinstaub zu röcheln haben, kann nicht von einer
befriedigenden Situation gesprochen werden!
Die JA! verlangt darum weitgreifende und auf die Dauer wirksame Massnahmen:
Eine autofreie Innenstadt zum Beispiel, die durch eine velofreundliche
Aussenstadt gut erschlossen ist.
Iris Balmer
Josefus, der Bote
Es war einmal ein kleines Volk inmitten der Schweizer Eidgenossenschaft, das
sich Obwaldier nannte. Es lebte sehr zurückgezogen und nur einige von ihnen
wagten es, ein Auge über die Kantonsgrenze hinaus zu werfen oder gar die
Heimat zu verlassen. Dies änderte sich aber mit der Zeit: Immer öfter zog es
die jungen Leute in die fernen Nachbarkantone und viele von ihnen liessen
sich sogar für immer dort nieder. Bald wurden die Obwaldier damit
konfrontiert, dass ihnen die Jungen und damit auch ihre Altersvorsorge
abhanden kamen. Bisher hatten sie sich stets darauf verlassen können, dass
ihre Kinder für sie sorgten, doch was geschah nun? Dazu muss noch gesagt
werden, dass die Obwaldier für ihre Skepsis gegenüber Autoritäten bekannt
waren und sie in ihrer ganzen Geschichte grossen Wert auf Autonomie gelegt
hatten. Doch nun, da ihre Zukunft ernsthaft in Gefahr schien, griffen die
Obwaldier zu einem für sie sehr ungewöhnlichen Vorgehen: sie legten ihr
Schicksal in die Hände der politischen Herrscher. Für diese lag die Lösung
des Problems auf der Hand: Es musste schnell Geld her. Da die Obwaldier, wie
bereits erwähnt, sehr zurückgezogen lebten und so kaum Kontakt mit anderen
Völkern pflegten, konnte das Geld nicht über Handel eingebracht werden.
Vielmehr musste dafür gesorgt werden, dass das Volk zu neuen Mitgliedern
kam, die das nötige Geld mitbrachten. Das Zauberwort schien dabei
„degressive Steuern“ zu sein. Obwohl die Obwaldier nicht ganz verstehen
konnten, was das sein soll, zeigten sich die meisten von ihnen mit diesem
Vorschlag einverstanden und so wurde das Ganze in die Tat umgsetzt. Was die
Obwaldier aufgrund ihrer abgeschiedenen Lebensweise nicht wussten, war, dass
sich im Rest der Schweizer Eidgenossenschaft grossen Widerstand regte:
Während die Schwyzer in erster Linie aufgrund ihrer eigenen Altersvorsorge
angstvoll auf die Veränderungen bei ihrem Nachbarvolk blickten, bewiesen
andere Völker einen weitaus breiteren Blick. So appellierten die Waadten,
ein Volk im Schweizer Welschland, an das Zusammengehörigkeitsgefühl der
Schweizer Völker. Sie argumentierten damit, dass das Volk mit solchen
Veränderungen sein Schicksal in die habgierigen Hände der Herrschenden legen
würde, anstatt sich zu einer breiten Masse zusammen zu schliessen und so das
Übel mit dem Geld aus der Welt zu schaffen. Um die Notwendigkeit des
Zusammenstehens der Völker zu unterstreichen, sandten die Waadter einen
Geistlichen namens Josefus als Boten nach Obwaldien aus. In seinem Volk als
grosser Redner bekannt, sollte Josefus die Obwaldier für die Ideen der
Waadter begeistern. Doch alles geschah anders: Obwohl sich Josefus die
grösste Mühe gab, auf die Obwaldier zu zugehen, hörten sie ihm einfach nicht
zu. Zu sehr waren sie damit beschäftigt, sich über ihre neuen, gutbetuchten
Mitglieder zu freuen. Was konnte da schon ein armer Geistlicher ausrichten,
der zudem noch von komischen Dingen wie Übel des Kapitalismus und Sieg des
Proletariats sprach? So musste Josefus bald seine Niederlage einsehen und
obwohl er immer davon sprach, irgendwann wieder zu seinen Genossen
zurückzukehren, wurde er nie mehr in Obwaldien gesehen.
Lea Bill
JA!mitteilungen
Veranstaltungsreihe gegen
sexistische Werbung
Was wollen uns die WerberInnen mit der sich räkelnden Frau auf dem neuen BMW
sagen? Kriegt man(n) die Frau etwa gratis zum Auto dazu? Oder ziehen sich
die Frauen beim Anblick des tollen Autos gleich von selbst aus und legen
sich freiwillig auf die Motorhaube?
Und wenn einer Frau das robuste Macho-Handy von Siemens besser gefällt als
das rosarote Zicken-Handy, heisst das jetzt, dass sie unweiblich ist? Ist
denn nicht jede richtige Frau auf ein Handy mit integriertem Schminkspiegel
angewiesen?
Um diese und viele andere Fragen zu beantworten und damit den Hinter- und
Beweggründen der heutigen Werbung auf die Spur zu kommen, organisiert die
Junge Alternative JA! eine Veranstaltungsreihe. Den Anfang macht dabei Prof.
Dr. phil. Andrea Maihofer am 22. März mit einem Vortrag an der Uni Bern.
Senkung des Jugendschutzalters
Nach einer Vernehmlassung im Jahr 2002 hat der Bundesrat 2004 beantragt, das
Schutzalter für Jugendliche von 20 auf 18 Jahre herunterzusetzen. Das
bedeutet, dass Nachtarbeit (ab 23.00 Uhr) künftig schon für Lehrlinge und
andere jugendliche ArbeitnehmerInnen ab 18 erlaubt sein soll. 2005 hat der
Ständerat als Erstrat dem Antrag des Bundesrats zugestimmt. Der
Minderheitsantrag Sommaruga/Berset, der verlangt, dass für Lehrlinge
Schutzalter 19 und für andere jugendliche Arbeitnehmer Schutzalter 20 gelten
soll, hat dabei immerhin 11 von 46 Stimmen erhalten.
Nun wird die Vorlage dieses Jahr im Nationalrat behandelt. Um wenigstens
einen Teil der Jugendlichen vor Nachtarbeit zu bewahren, verfolgt ein
Bündnis aus Jungparteien und Gewerkschaften das Ziel, den Minderheitsantrag
im Nationalrat durchzubringen. Die JA! wird sich an der Kampagne
aktionspolitisch beteiligen.
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