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ja!rgon Nr. 6 - Dezember 2005
EditorJA!l
JA!hr 2006 wir kommen!
Die Vorfälle rund um die Wohnortsuche des Vereins Alternative haben es
gezeigt: In der Politik fehlt es nicht an grossen Parteien mit grossen
Budgets, sondern an aktiven Gruppen, die sich für Themen und Menschen
einsetzen, welche sonst oft unter den Teppich gekehrt würden.
Auch im Jahr 2005 hat sich bei der Jungen Alternative wieder viel getan: Von
der Dreikönigsaktion gegen die repressive Bahnhofsordnung über Aktionen für
das Partnerschaftsgesetz bis zur Demo für gratis Veloparkplätze auf dem
Bahnhofplatz war alles dabei. Auch beteiligte sich die JA! immer wieder an
organisationsübergreifenden Projekten. So übernahm sie die Federführung für
das Abstimmungskomitee gegen die Reitschulinitiative der SVP und half mit,
die „Wir sind die Schweiz“- Demo zu organisieren.
Und im Jahr 2006 geht es mit vollem Elan weiter: Geplant sind bereits ein
Strassentheater am aktionistischen Anti-WEF-Tag und eine Veranstaltungsreihe
zum Thema „Sexistische Werbung“. Auch sonst wird es sicher nicht ruhig um
die Junge Alternative, denn dafür gibt es zu viele Themen und Menschen, die
sonst unter den Teppich gekehrt würden!
Lea Bill
Das hatten wir doch alles schon einmal...
Eine Gruppe junger Menschen, die sich Verein Alternative nennen, möchten
einen Platz von der Stadt zugesprochen bekommen, auf welchem sie sich
längerfristig niederlassen und überwintern können. Sie möchten von der Stadt
einen Platz mit fliessendem Wasser und Stromanschluss zugesprochen bekommen,
auf dem sie in ihren Wohnwagen wohnen können.
Nach vielfachen Umzügen lassen sie sich Ende November auf dem Gaswerkareal
nieder. Dieses wird im Winter nicht genutzt und Platz wäre genug vorhanden.
Diese Tatsache hindert die Stadt aber nicht daran, dem Verein sofort mit der
polizeilichen Räumung zu drohen. Mehrmals suchen die Mitglieder der Gruppe
den Dialog mit dem Gemeinderat, mehrmals stossen sie auf ziemlich taube
Ohren und ihrem Begehren nach mehr Freiräumen und unkonventioneller
Lebensweise wird nur Ablehnung entgegengebracht.
Die JA! hat in diesem Jahr mehrmals zur Situation des Vereins Alternative
Stellung genommen und die Forderungen unterstützt. Für die JA! ist es
dringend nötig, dass wieder vermehrt Freiräume geschaffen werden und der
öffentliche Raum wirklich wieder für alle zugänglich und belebbar wird. Es
kann nicht sein, dass nur noch Menschen frei und ungestört leben können,
welche ins alltägliche, konventionelle Schema hineinpassen. Dazu kommt, dass
die Argumentation des Berner Gemeinderats - wonach die Bewohnung des
Gaswerkareals nicht möglich ist, weil dieses ein wichtiges
Naherholungsgebiet für die Bevölkerung ist - ein völliger Unsinn ist.
Traurigerweise ist dieses Szenario ein schweizweit bekanntes und mehr oder
weniger alltägliches. Menschen, welche alternative Lebensformen leben
wollen, werden in der Schweiz immer wieder Steine in den Weg gelegt. In Bern
kommt noch ein weiterer, empörender Aspekt dazu: 1987 gingen in Bern
Tausende von Menschen gegen die polizeiliche Räumung des Wagenplatzes
Zaffaraya auf die Strasse. Darunter auch heutige rot-grüne GemeinderätInnen.
Die Räumung löste damals breit abgestützte Proteste aus. Heute hätte der
Gemeinderat die Chance, Fehler, die die bürgerliche Regierung damals gemacht
hat, nicht zu wiederholen. Aber genau dies tut unser rot-grün dominierte
Gemeinderat. Alternative Lebensformen werden nicht akzeptiert und es wird
eine „aus den Augen, aus dem Sinn-Strategie“ betrieben. Es könnten ja alle
kommen und einen Platz für ihren Wohnwagen fordern. Doch wo bleibt hier die
Freiheit jeder Einzelperson, ihr Leben so zu gestalten, wie es ihr passt?
Immer wieder wir von Seiten des Gemeinderats erwähnt, das Gaswerkareal sei
öffentlicher Raum. Doch sollte nicht genau dies die Anwesenheit der Gruppe
rechtfertigen? Oder sind mit „öffentlich“ etwa nur Menschen gemeint, welche
vollständig ins von der Gesellschaft gewünschte Bild passen?
Es scheint so, als hätten unsere rot-grünen Gemeinderatsmitglieder jegliche
von ihnen früher geforderten Anliegen fallen gelassen und bürgerlich
verstockte Argumente aufgeschnappt. Schade - wieso sitzen sie denn für
rot-grüne Anliegen im Gemeinderat?
Lukas Wegmüller
Sex sells!
Ist dir schon mal der Unterschied zwischen einer Unterwäsche-Werbung von
Migros und einer Unterwäsche-Werbung von sloggi aufgefallen?
Warum muss Tally Weijls Model so spärlich gekleidet sein, mit merkwürdig
verrenktem Körper auf dem Boden knien und dazu noch diesen devotem Ausdruck
tragen?
Und aus welchem Grund braucht es bei der Autowerbung immer mal wieder ein
schlankes Model auf dem schicken Wagen – möglichst liegend, möglichst ohne
Blickkontakt zum Betrachtenden?
Frauen sind in der Werbung grundsätzlich nur aufzufinden, wenn sie das
„Greisenalter“ von ca. 35 Jahren noch nicht erreicht haben, (wenn sie)
schlank, langhaarig und faltenlos sind. Und sie bringen uns sexy Kleidung,
beauty-Produkte, besonders bedienungsfreundliche Handys, wunderhübschen
Schmuck näher – also alles was Frau braucht. Oder sie verstehen es, unsere
Aufmerksamkeit auf Autos, Kameras, Sofas, Versicherungen und besonders gute
Bankkonditionen zu ziehen – also alles was Mann braucht.
Da die Werbung der Spiegel der Gesellschaft ist, verhilft uns diese
Aufzählung nun also zur Erkenntnis, dass die Frauen heute sexy Dinger sind,
die sich um Aussehen und Lifestyle kümmern, damit sie bei den Männern
besonders gut ankommen. Und sie sind eigentlich sowieso vor allem
Accessoires, die überall eingesetzt werden können, wenn es grade passt. Was
mich irgendwie an Blumen erinnert. Oder so.
Neben der Betrachtung von Werbung blicken wir doch zwischendurch auch noch
in Frauengesichter auf der Strasse oder im Freundeskreis und uns fällt auf,
dass da eine solche Kongruenz fehlt. Frauen sind also nicht alle so, wie in
der Werbung. Kann es denn sein, dass die Werber die Frauen gerne so hätten?
Ist es vielleicht sogar möglich, dass die ganzen Werbeideen den Fantasien
von machohaften Werbemannen entspringen und nichts als überholte
Rollenbilder zementieren? Warum gibt es diese Werbungen immer noch, nachdem
Generationen von Feministinnen dagegen gekämpft haben? Warum gibt es auch
Werberinnen, die das unterstützen? Warum ist der Protest gegen solche
Werbung auch innerhalb der Linken verpönt?
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, plant die JA! eine
Veranstaltungsreihe, die am 8. März 2006 starten wird. Sie besteht aus einem
Vortrag einer Fachperson, einer Podiumsdiskussion sowie einem
Aktionsworkshop.
Rahel Ruch
Die Zukunft selber
meistern…
In den Tagen vom 25.-30. Januar 06 treffen sich die Vertreter (und wenige
Vertreterinnen) der ganz grossen Konzerne dieser Welt wieder einmal im
winterlichen Davos, diesmal um sich dem Thema „Mastering our Future“ zu
widmen. Ob wir unsere Zukunft von ihnen gemastert haben wollen, scheint aber
nicht Thema ihrer Diskussionen zu werden.
Nicht nur, dass die Menschenrechte nicht viel zählen, wenn am Fusse des
Jakobshorns über Profit und Wirtschaftswachstum verhandelt wird – das WEF
findet undemokratischerweise auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Einerseits weiss die Öffentlichkeit nur ungenau, was denn tatsächlich
beschlossen wird: Auch wenn sich die Konzernchefs und „Meister unserer
Zukunft“ gerne händeschüttelnd den Medien präsentieren, sagen ihre leeren
(Grinsen) Gesichter doch nichts darüber aus, wessen Arbeitsplatz denn als
nächstes gestrichen werden soll.
Andererseits wird kein Platz für kritische Gegenmeinungen gelassen: Wer in
den letzten drei Jahren öffentlich gegen das WEF protestieren wollte, musste
mit grösstem Widerstand der Regierung und harten Ausschreitungen der Polizei
rechnen.
Die Antiglobalisierungsbewegung ist dieses Katz- und Mausspiels müde und
macht sich gar nicht mehr die Mühe, überhaupt noch eine Bewilligung für eine
Demo einzureichen – was aber nicht heisst, dass es keinen Protest geben
wird!
Am 21. Januar 2006 werden deshalb alle dazu aufgerufen, in jeder Stadt und
jedem Dorf mit öffentlichen Kundgebungen, Demonstrationen, Mahnwachen,
Infoveranstaltungen und kreativen Aktionen der Kritik am WEF Ausdruck zu
verleihen (mehr Infos unter: www.nodemo.ch).
Auch die JA! wird an jenem Samstag dabei sein und mit einem Strassentheater
auf die negativen Folgen der Globalisierung aufmerksam machen. Als Meisterin
ihrer Zukunft!
Iris Balmer
Zwei gemeinsame Tage in Orpund
Mitnehmen: Neben den wenigen Habseligkeiten hauptsächlich einen unklaren
Kopf mit vielen Fragen und Ideen! … Nach Hause nehmen: Noch viel mehr Fragen
– die Traktandenliste für die nächste Sitzung ist bereits gefüllt – und
einige Antworten.
Dazwischen liegen zwei Tage Zukunftswerkstatt: In drei Phasen setzen wir uns
mit Status quo
(Kritikphase), mit Wunschzustand (Utopiephase) und dem Weg dorthin (Phase
der Massnahmen-Definition) auseinander. Immer wieder kommen die gleichen
Themen zur Sprache– Sitzungskultur, Themenschwerpunkte, Infofluss, Teamwork
oder die Frage nach dem politischen Stil der JA! – jeweils kommen neue
Erkenntnisse hinzu.
Klar wird dabei vor allem, dass sich die JA! weiterhin nicht davor scheuen
will, Themen wie Homosexualität in der Schule, welche in unserer
Gesellschaft immer noch tabuisiert werden, aufs Tapet zu bringen. Zudem will
sich die Junge Alternative sowohl an nationale wie an lokale Themen
heranwagen.
Wer nach alledem meint, Politik müsse einengend und langweilig sein
(Stichwort ParteifunktionärIn), täuscht sich: Alleine die Betrachtung
unseres unpolitischen Teils ergibt: Politik kann beflügelnd sein, wenn sie
zum Jonglieren, Theaterimprovisieren, Kochen oder zur Begründung von
Lesezirkeln verleitet – alles während dieser zwei Tage geschehen! Übrigens
ist eine Retraite auch die ideale Gelegenheit, sich über Bauchtanz,
Türkei-Fussballspiel oder Pfadfinderlegenden zu unterhalten – was bei
Sitzungen eher zu kurz kommt…
Chrigu Wirz
JA!mitteilungen
Die Verleihung des
goldenen Phallus
Trotz Schnee und Kälte fand letzten Samstag die Verleihung des goldenen
Phallus an Urheber von besonders sexistischer Werbung statt. Mit einer
ellenlangen Wäscheleine voller erschreckend sexistischer Plakate
ausgerüstet, spazierten wir durch die Stadt um die Konsumentinnen und
Konsumenten auf die frauenverachtende Werbung aufmerksam zu machen. Mit
«Barbie Girl» als Begleitmusik schritten wir dann zum Höhepunkt – der
Verleihung. Gewinner waren die Firmen Tally Weijl mit den verrenkten Frauen
und poppenden Häschen auf dem dritten Platz, YB mit seiner «Glaube an
YB»-Werbeserie auf dem zweiten Platz und - Trommelwirbel - Siemens mit
seinem weiblichen Handy (rosarot, mit integriertem Schminkspiegel etc.)
sowie dem männlichen Pendant (stossfest, robust, technisch kompliziert) auf
dem umworbenen ersten Platz! Siemens gewann somit die höchste Auszeichnung
für sexistische Werbung; den goldenen Phallus!
Mehr Infos über die Aktion und die nominierten und ausgezeichneten Firmen
erhält ihr bei dafne (das feministische netz), den Urheberinnen der
Verleihung.
Rechte Herrenriege
Das eidgenössische Parlament hat
in der Wintersession über die Revisionen des Ausländer- und des Asylgesetzes
beraten. Die Diskussionen waren von „Verschärfungsfetischismus" geprägt. Es
ging genauso um die Streichung der Nothilfe, wie um die Erschwerung eine
Niederlassungsbewilligung zu erhalten. Die beiden Gesetze müssen im gleichen
Kontext gedacht werden. Dem bürgerlichen Parlament geht es nicht darum,
Sachpolitik und Bekämpfung von Missständen zu betreiben, es betreibt Politik
gegen alles „Nicht-Schweizerische".
Genau zwei Jahre nach der Wahl Christoph Blochers in den Bundesrat hat sich
Ausländerfeindlichkeit, gepaart mit knallhartem Neoliberalismus, zur
obersten Staatsmaxime der Schweiz gemausert. Diese Bestrebungen gab es aber
auch schon vorher, die behandelten Gesetze stammen zu grossen Teilen noch
aus der Feder Ruth Metzlers.
Bleibt zu hoffen, dass die Bevölkerung die Vorhaben der rechten Herrenriege
im Bundesrat durchschaut und die Linke diese Abstimmungen gewinnen wird. |