ja!rgon Nr. 5 - Oktober 2005

EditorJA!l

Aus dem Nationalrat

In der Herbstsession hat der Nationalrat das Asyl- und das Ausländergesetz beraten. Welche fremdenfeindlichen Schikanen sich die geschlossenen Bürgerlichen in der Asyldebatte haben einfallen lassen, wurde in der Presse bereits breit berichtet. Nicht weniger fremdenfeindlich zeigte sich das Parlament in der Beratung des Ausländergesetzes, leider geschah dies grösstenteils Abseits der medialen Öffentlichkeit. Herauszuheben sind vor allem zwei Punkte: Zum Einen hat der Nationalrat darauf verzichtet, eine Lösung für die Sans Papiers, die er mit der Verabschiedung des Asylgesetzes auch gleich selber zusätzlich geschaffen hat, zu suchen. Auf die Erfüllung der linken Forderung einer kollektiven Regularisierung zu hoffen, war wohl naiv, dass es der Nationalrat aber unterlassen hat, eine Härtefallregelung in das Gesetz aufzunehmen, ist nur noch zynisch. Zum Anderen haben die Bürgerlichen die automatische Niederlassungsbewilligung nach zehn Jahren Arbeit in der Schweiz fallen gelassen. Dies zeigt die bürgerliche Logik: Billige Arbeitskräfte sind willkommen, sollen aber bitte keine Rechte erhalten und das Land nach getaner Arbeit wieder verlassen.

Gegen diese fremdenfeindliche Ausbeutungspolitik tut Widerstand Not! Sollte der Ständerat an diesem Rechteabbau festhalten, was zu befürchten ist, Gibt es nur noch eine Antwort: ein Referendum.

Samuel Durrer

Reitschule bleibt!

Am 27. November ist es soweit: Zum vierten Mal dürfen wir – dank der SVP – über die Existenz der Reitschule abstimmen.

Das Initiativkomitee fordert diesmal „Keine Sonderrechte für die Reitschule". Hinter diesem Slogan verstecken sich nicht gleiche Rechte für die Reitschule wie für andere Kulturbetriebe – sondern gerade eben ein „Sonderzügli" In der Gemeindeordnung soll nämlich namentlich festgehalten werden, dass die IKuR „ortsübliche Mietzinsen und Nutzungsgebühren sowie Steuern, Abgaben und Gebühren" zahlen muss. Das klingt ja vernünftig – jemand der ein Haus braucht um Kultur zu betreiben, soll doch auch Miete zahlen müssen, schliesslich zahle ich für meine Wohnung auch was. In der Stadt Bern wird Kultur aber subventioniert. Schliesslich ist der Staat besorgt dafür, dass die Bernerinnen und Berner ein Kulturangebot geniessen können. Auch die Reitschule hat ein Abkommen mit der Stadt abgeschlossen. Seit Anfang 2004 sind die Leistungsverträge in Kraft getreten. In diesen Verträgen wird festgehalten, wie viel die Reitschule der Stadt an Abgaben bezahlen muss und in welcher Höhe der Beitrag der Stadt an die Kulturproduktion in der Reitschule ausfällt. Fakt ist jedoch, dass dieser Beitrag der Stadt sehr viel tiefer liegt als andere Kultursubventionen – zum Beispiel derjenige ans Stadttheater. Die Reitschule geniesst damit alles andere als Sonderrechte.

Zur Geschichte:

Bis in die 1950er Jahre wurde in der Reitschule tatsächlich geritten. Durch den zunehmenden Strassenverkehr musste das Haus als Reitzentrum jedoch aufgegeben werden. Ab 1964 galt das Gebäude als Abbruchobjekt. 1981/82 wurde die Reitschule besetzt und zum autonomen Jugendzentrum (AJZ). Seither war die Reitschule immer wieder Thema in der Stadtpolitik.

1990 wurde mit 57.5 % Nein-Stimmen eine Initiative abgelehnt, die verlangte, anstelle der Reitschule ein Zentrum für Lehrlingsturnen und Sport zu errichten.

1997 reichte eine „Entente bernoise» die Initiative „Reitschule für alle» ein. Sie wollte damit erreichen, dass anstelle der Reithalle ein Einkaufszentrum gebaut würde.

1999 schliesslich wurde über einen Baukredit für die Reitschule abgestimmt. Nachdem diese Abstimmung gewonnen war, wurde die Reitschule bis 2003 unter Mitarbeit von ganz vielen freiwilligen Reitschul-AktivistInnen saniert.

Das hat also das Haus unter der Brücke schon alles durchgemacht und doch sind die Argumente immer noch dieselben. Immer noch beschimpfen die Rechten die Reitschule als Schandfleck, die Reitschul-Besuchenden als ChaotInnen und sehen die alternative Kultur als Störfaktor. Was dabei auch oft in Vergessenheit gerät, ist die unbezahlte Sozialarbeit, die von den Menschen, die in der Reitschule arbeiten geleistet wird. Wo landen schliesslich diejenigen Leute, die beispielsweise vom Bahnhof weggewiesen werden? In der Reitschule. Und dort kümmern sich diejenigen um jene, welche von der Stadt als „Randständige" abgestempelt werden, die sich sowieso schon für einen geringen Lohn und vor allem aus Überzeugung für die basisdemokratische Reitschule ins Zeug legen.

Würde die Initiative angenommen, müsste die Reitschule sehr stark in Richtung mainstream-Kultur gehen, um die überhohen Abgaben überhaupt noch bezahlen zu können.

Für mich als Reitschul-Besucherin ist es klar – ich stimme nein zur Initiative, weil ich keine Lust habe auf überhöhte Preise und Eier aus Bodenhaltung im Sous le Pont, eine music-Star-Show im Dachstock, Hollywood-Filme im Kino, Peach Weber im Tojo, das Gurtenmanifest im Infoladen, Ladies-Night à la Prestige im Frauenraum und Stehapéros mit Cüpli im i-Fluss.

Rahel Ruch

weitere Infos unter www.reitschulebleibt.ch

Versuchslabor Natur

Die SchweizerInnen sind aufgerufen, am 27. November über ein fünfjähriges Moratorium der Gentechnik zu befinden. Wird die Initiative abgelehnt, können künftig genetisch veränderte Pflanzen und Tiere in der Landwirtschaft eingesetzt werden.

Die Genindustrie erzählt uns, die Freisetzung genetisch veränderter Pflanzen sei völlig gefahrlos und werde keine negativen Auswirkungen auf das Ökosystem haben. Durch einen Mindestabstand zwischen Feldern, auf den Genpflanzen blühen und jenen, die „normal" bepflanzt werden, könne eine Verunreinigung verhindert werden. Wohin es führen kann, wenn der Mensch in ein Ökosystem eingreift, zeigt das Beispiel Australiens. Als sich die grösste Insel der Welt langsam von einem grossen Gefängnis zu einer Kolonie entwickelte, wurden europäische Tierarten eingeführt. Die britische „Upper class" wollte auch in ihrer neuen Heimat nicht auf ihr liebstes Hobby, die Jagd, verzichten, so lebten in Australien plötzlich Hasen und Hirsche. Was auf den ersten Blick völlig harmlos aussah, hat sich schon bald zu einem massiven Problem entwickelt: die europäischen Wildtiere hatten plötzlich keine natürlichen Feinde mehr, vor allem die Hasen machten ihrem Ruf alle Ehre und vermehrten sich in Windeseile. Die Hobby-Jagd der Briten reichte nicht mehr aus, den Bestand in vernünftigen Grenzen zu halten und die neuen Tierarten wurden bald zur Plage. Sie verdrängten nicht nur einheimische Arten, sondern wurden auch zu gehassten Schädlingen der landwirtschaftlichen Produktion.

Dieses Beispiel soll zeigen, dass ein Ökosystem sehr sensibel auf Veränderungen reagiert. Die Konsequenzen einer Veränderung sind meist nur sehr schwer ab zu schätzen, weil die Wissenschaft noch lange nicht so weit ist, die Komplexen Abläufe der Biologie wirklich zu begreifen. Wenn nun also die Genindustrie kommt und behauptet, genveränderte Pflanzen seien kein ökologisches Problem, ist Vorsicht geboten. Niemand kann uns sagen, wie die natürlichen Arten auf ihre genveränderten Verwandten reagieren werden, niemand kann uns sagen, wie Insekten und andere Nützlinge durch genveränderte Pflanzen betroffen werden.

Was nötig ist, ist ein Marschhalt. Es braucht Zeit, die Folgen der Freisetzung genetisch veränderter Organismen auf das Ökosystem zu erforschen. Genau das fordert die Moratoriumsinitiative.

Samuel Durrer

Relaunch des Vorwärts

Der Vorwärts hat sich weiten linken Kreisen geöffnet und will zu einer Diskussionsplattforum und einem Instrument der internen Vernetzung werden.

Lange Zeit kannte man den Vorwärts als Parteiorgan der PdA. Seit längerem ist dies aber nicht mehr so, da die Redaktion seit Jahren unabhängig schreibt und nur noch eine Person von der PdA regelmässig Texte für den Vorwärts verfasst. Vor kurzem wurde nun beschlossen, den Vorwärts für andere linke Parteien und Organisationen zu öffnen und zu einem innerlinken Diskussions- und Kampfblatt zu machen. Dies ist insofern erfreulich, als dass sich mit dem Vorwärts in dieser Form ein Organ anbietet, das die verschiedenen Gruppen, welche sich im Bündniss „A gauche toute" organisieren, weiter vernetzen kann. Die Junge Alternative JA! hat sich dazu entschlossen, von Zeit zu Zeit für den Vorwärts über Positionen und Aktionen zu schreiben und aktiv an den Diskussionen und Gesprächen darin teilzunehmen. Neben der JA! werden weiterhin die PdA, z.B aber auch die Anti-WTO Bern und die AL Zürich daran teilnehmen. Aus Sicht der Linken könnte der Vorwärts zu einem sehr wichtigen Instrument beim Vernetzen, Mobilisieren und natürlich auch für Diskussionen innerhalb der Linken werden. Der JA! gefällt es, dass wie in der JA! selbst, nun vermehrt auch innerhalb der linkeren Kreise Diskussionen über wichtige politische Inhalte geführt werden und dadurch die Linke vielleicht auch inhaltlich etwas geschlossener werden kann. Mit diesem Relaunch des Vorwärts zeigt sich, dass die linke Bewegung in der Schweiz erstarkt. Für diese Bewegung ist der Vorwärts, wenn es denn gelingen sollte alle diese Gruppen einzubringen und daran teilhaben zu lassen, sicher Gold wert.

Dem Relaunch des Vorwärts wünschen wir ein glückliches Gelingen und freuen uns auf differenzierte und kritische Beiträge und Anregungen.

Da der Vorwärts seine neue Funktion nur wahrnehmen kann, wenn er auch gelesen wird, haben wir diesem JA!rgon ein Blatt beigelegt, mit dessen Hilfe der Vorwärts abonniert werden kann.

Lukas Wegmüller

Am Siebten sollst du ruhen

Am 27. November wird über die Änderung des Arbeitsgesetzes abgestimmt. Die Bürgerlichen behaupten, es handle sich um eine Anpassung des Gesetzes an die Lebensrealitäten. In Wahrheit geht es um die Anpassung der Lebensrealitäten an das bürgerliche Effizienzdenken.

Ausschlafen, ausgiebig brunchen und die Ruhe geniessen. So sieht wohl nicht nur mein Sonntagsprogramm aus. Der Sonntag als Tag, an dem mal alles still steht, hat eine gewaltige Funktion. Gerade für Familien ist es oft der einzige Tag, an dem alle zusammen sind und sich Zeit für einander nehmen können. Den Bürgerlichen scheint diese Ruhe und der Stillstand der Wirtschaft ein Dorn im Auge zu sein. Nicht einmal der Warnruf der Kirchen: „ Sechs Tage sollst du arbeiten, am Siebten sollst du ruhen!" konnte sie davon abbringen, das Sonntagsarbeitsverbot aufzuweichen. Nicht nur Artikel für Reisende wie Lebensmittel, Geschenkartikel, Unterwäsche oder Toilettenartikel sollen in den Schweizer Bahnhöfen sonntags gekauft werden können, sondern auch Möbel und Kühlschränke. Was für einen Sinn es macht, seinen Kühlschrank am Sonntag im Bahnhof zu kaufen sei hier einmal dahingestellt, was interessiert sind viel mehr die Auswirkungen einer solchen Regelung auf die Arbeitnehmenden. Sie können den Sonntag nicht mehr als Tag der Ruhe nutzen, sie können sich sonntags nicht mit Freunden oder der Familie treffen, dafür an einem Werktag frei zu haben, ist kein hinreichender Ersatz. Bis heute ist gesetzlich verankert, dass am Sonntag ein Zuschlag von 50 Prozent zum Lohn gezahlt werden muss, wenn sonntags gearbeitet wird. Diese Bestimmung ist aus dem Gesetz heraus gefallen. Dies zeigt auf, um was es den Bürgerlichen eigentlich geht, sie wollen Sonntagsarbeit normalisieren. Die Sonntagsarbeit in den Bahnhöfen ist nur ein entscheidender Schritt, schon bald werden die bahnhofsnahen Geschäfte darüber klagen, dass die Konkurrenz im Bahnhof längere Spiesse habe. Ob die Bürgerlichen wohl davor zurückschrecken werden, das Sonntagsarbeitsverbot ganz fallen zu lassen?

Es gilt schon heute einen Riegel zu schieben. „Offene Bahnhöfe" heisst: Abbau von Rechten der Arbeitnehmenden, Stress und soziale Isolierung, das macht auch das schönste Lachen einer Ex-Miss-Schweiz nicht wett.

Samuel Durrer

JA!mitteilungen

Die JA! kritisiert die Thuner Polizei

Aus Anlass des diesjährigen Antifaschistischen Abendspaziergangs in Thun, kam es zu einer der unsinnigsten und verhältnislosesten Polizeiaktionen der jüngeren Geschichte. Die friedliche Demo wurde nicht nur am Umzug durch Thun gehindert, die AntifaschistInnen wurden auch über Stunden in einem Kessel festgehalten. Während der Einkesselung verzichtete die Polizei absichtlich auf die Einhaltung des Mindestabstandes bei ihren Gummischrotsalven. Aus kurzer Entfernung wurde wiederholt auf die friedliche Menge geschossen. Der Sozialdemokratische Sicherheitschef Thuns zeigt sich vom Vorgehen seiener PolizistInnen befriedigt. Die JA! verurteilte die Repression gegen die AntifaschistInnen aufs Schärfste. Gerade im Berner Oberland ist Widerstand gegen die braunen Schlägertruppen bitter notwenig.

Homosexualität und Schule

Die JA! organisiert für den 16. November einen runden Tisch für Grossrätinnen und Grossräte zum Thema Homosexualität und Schule. Teilnehmen werden Marianne Kauer von ABQ (Lesbischwules Schulbesuchs-Projekt), Stuwi Ryser (Aids-Hilfe Bern) und Jürg Fassbind (Berner Gesundheit).