Nach langer Suche nach mehr Halteplätzen für Fahrende im Kanton Bern hat der Grosse Rat endlich einer Vorlage für einen Transitplatz in Wileroltigen zugestimmt. Dagegen hat die Junge SVP das Referendum ergriffen, weshalb wir jetzt im Februar darüber abstimmen. Die Abstimmung stellt auch die Frage, wie diese Gesellschaft mit unterschiedlichen Lebensweisen und Kulturen umgeht und umgehen will.
von Seraina Patzen
Der Standort Wileroltigen bringt einige Voraussetzungen mit, die zu einer günstigen Realisierung des Transitplatzes beitragen werden: Direkt an der Autobahn gelegen, an einem Standort, wo heute schon ein Autobahn-Rastplatz vorhanden ist. Die nötige Infrastruktur muss deshalb nicht neu gebaut werden, sondern wird einfach erweitert, Wasser- und Stromanschlüsse bestehen zum Beispiel bereits. Auch sind keine neuen Zufahrtsstrassen nötig.
Doch für die Junge SVP, die das Referendum gegen den Kredit für den Transitplatz ergriffen hat, geht’s nicht ums Geld. Auch nicht um die oft vorgeschobene Gemeindeautonomie. Es geht ganz einfach darum, den Fahrenden ihre Lebensweise so schwer wie möglich zu machen. Aber wir müssen auch gar nicht bis zur Jungen SVP gehen, um auf Ressentiments gegen Fahrende zu stossen: Im Bund wurde kürzlich ein Artikel über den geplanten Standplatz für Fahrende in Muri veröffentlicht. Hier äusserten sich alle Befragten kritisch, wenn nicht gar abfällig, über den geplanten Platz: Vom Bauer, der „fürchtet, dass die Fahrenden die Grenzen zu seinem Feld nicht einhalten würden und er dadurch zu Schaden käme“ (Der Bund vom 6.12.2019) bis zu den Hündeler*innen, die auf dem angrenzenden Feld ihre Hunde trainieren und befürchten „die Anwesenheit der Fahrenden könnten den täglichen Übungsbetrieb mit den Hunden stören, wenn nicht sogar verunmöglichen“ (Der Bund vom 6.12.2019)
Dass dies teilweise völlig aus der Luft gegriffenen Befürchtungen und Aussagen in dieser Ausführlichkeit im Artikel breitgeschlagen wurde, hat mich wütend gemacht. Genauso werden Vorurteile weiter geschürt und die Diskriminierung von Fahrenden und ihrer Lebensweise weiter fortgeführt.
Die Schweiz hat 1998 das Rahmenabkommen über den Schutz nationaler Minderheiten unterschrieben und wäre zum Bau von genügend Halteplätze für in- und ausländische Fahrende verpflichtet. Trotzdem gibt es bis heute deutlich zu wenig Plätze. Mit der Besetzung der kleinen Allmend machten Fahrende 2014 auf diesen Missstand aufmerksam. Der politische Prozess für mehr Halteplätze läuft nun schon seit Jahren und geht nur schleppend voran. Umso wichtiger ist ein Ja zum Transitplatz in Wileroltigen. Mehr Halteplätze sind für die Lebensweise der Fahrenden von existenzieller Bedeutung.
Und ein Ja ist ein Zeichen, dass wir eine Gesellschaft wollen, in der alle Menschen ihren Platz zum Leben haben.