Wer die zweite Vorlage der städtischen Abstimmungen
liest, ist vielleicht zuerst mal etwas verwirrt. Denn da heisst es: Wollen sie die Vorlage „Bau- und Verkehrsmassnahmen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Bahnhofs Bern: Ausführungskredit“ annehmen? Erstmal unklar, worum es da genau geht. Die eher Optimistischen unter uns denken jetzt vielleicht „yes, jetzt kommt dieser autofreie Bahnhofplatz, es gibt mehr Veloabstellplätze und der Bereich zwischen Bahnhof- und Bubenbergplatz wird etwas schöner!“. Deshalb die schlechte Nachricht vorweg: leider nein. Aber trotzdem empfehlen wir euch, diesen Kredit anzunehmen.
Von Eva Krattiger
Die Ausgangslage ist folgende: Die SBB passt mit dem Projekt Zukunft Bahnhof Bern den Berner Bahnhof so an, dass in Zukunft deutlich mehr Menschen in Bern ein-, aus- und umsteigen können als heute. Auch wenn
as mit Homeoffceplicht und Fernunterricht grad etwas weit weg erscheinen mag, sagen die Modelle, dass in Zukunft deutlich mehr Menschen wie heute Zugfahren werden als heute. Ob das grundsätzlich eine gute Nachricht ist, sei mal dahingestellt. Die SBB kümmert sich jedoch nur um den Bahnhofsperimeter selber. Die Aufgabe der Stadt ist es zu gewährleisten, dass die Menschen, die auf den Zug gehen oder den Bahnhof verlassen möchten, dass auch sicher tun können. Deshalb müssen Bau- und Verkehrsmassnahmen ergriffen werden.
Mit den Arbeiten der SBB entstehen an der Schanzenstrasse auf Seite des Uni Hauptgebäudes und am Bubenbergplatz neue Bahnhofausgänge. Gerade beim Bubenbergplatz ist das jedoch schwierig, weil dieser Platz sowohl vom ÖV, den Autos, den Velos und den Fussgänger:innen intensiv genutzt wird. Deshalb will die Stadt eine Unterführung bauen, die auf dem Hirschengraben endet. Damit soll der Verkehrsbereich auf dem Bubenbergplatz entlastet werden. Weil so viel mehr Passagier:innen erwartet werden, wird Autoverkehr um 50-60% reduziert. Verbesserungsmassnahmen für den ÖV und den Veloverkehr sind auch im Bollwerk geplant, wo eine Autospur aufgehoben wird und ein neues Linksabbiegen für die Velos geplant ist. Zudem hat der Stadtrat einen Antrag überwiesen, dass im ganzen Perimeter Tempo 30 eingeführt werden soll.
- Personenunterführung vom Bubenbergplatz zum Hirschengraben
- Fällen der heutigen Bäume, Neubepflanzung auf dem Hirschengraben
- Entfernung der heutigen Veloabstellplätze beim Hirschengraben
- Bubenbergdenkmal wird (temporär) versetzt
- Reduktion des motorisierten Individualverkehrs über den Bahnhofplatz
- Mehr Platz für Fussgänger:innen, Velos und den ÖV im ganzen Perimeter
- Verbesserung der Velosituation und Reduktion der Fahrspuren beim Bollwerk
- Massnahmen zum Schutz des Längassquartiers vor Mehrverkehr
Na dann, also alles tiptop?
Naja. Das Projekt hat durchaus ein paar Nachteile und Schönheitsfehler. Leider wird der Bahnhofplatz auch mit diesen Massnahmen nicht autofrei. Noch 2009 (!) hat das Stadt Berner Stimmvolk einen autofreien Bahnhofplatz abgelehnt. Aus heutiger Sicht ist dies unverständlich, hat doch gerade die letzte grosse Baustelle am Bahnhof gezeigt, dass alle üblen Szenarien, was passieren werde, wenn der Bahnhofplatz für die Autos gesperrt wird, völlig falsch sind. Trotzdem kann die Stadt heute nicht ohne Kanton entscheiden, dass der Bahnhofplatz autofrei wird. Die gute Nachricht ist jedoch: der Stadtrat hat nochmals bestätigt, dass er einen autofreien Bahnhofplatz will und mit den Massnahmen aus dem vorliegenden Kredit wird er nicht verunmöglicht.
Das Projekt ändert leider auch nichts an der Betonwüste zwischen Baldachin und Hirschengraben. Diese wird genau so belassen. Und auch im Perimeter Bollwerk werden zwar Verbesserungen getroffen für den Verkehr, die Schützenmatte verbleibt aber in ihrem inselhaften Dasein umgeben von mehrspurigen Strassen, obwohl sich mehrere in diesem Perimeter ansässige und aktive Vereine und Organisationen dafür ausgesprochen haben, dass die Schütz besser angebunden wird.
Auch die Situation der mangelnden Veloabstellplätze rund um den Bahnhof wird mit diesem Projekt leider nicht verbessert. Mit der Umgestaltung des Hirschengrabens werden viele Veloabstellplätze aufgehoben, diese werden aber nicht ersetzt. Mit der Umgestaltung des Hirschengrabens werden zudem die heutigen Kastanienbäume gefällt. Sind ja nur ein paar Bäume, kann man schon sagen. Aber Bäume wachsen halt langsam und bis die neuen wieder so grosse und Schatten spendende Baumkronen haben, vergehen ein paar Jahre. Zumindest in dieser Zeit wird der Hirschengraben keine Aufenthaltsqualität aufweisen und dem Stadtklima nicht dienlich sein.
All diese Punkte wurden und werden von verschiedenen Seiten kritisiert und Lösungen dafür vorgelegt. Das Problem ist einfach: die SBB baut die neuen Bahnhofausgänge egal ob die Stadt bis dann eine Lösung für ihre Verkehrsprobleme gefunden hat oder nicht. Die Zeit drängt also, weshalb nun nicht mehr ein völlig neues Projekt gefordert werden kann. Diese Situation ist unbefriedigend und man kann sich darüber nerven und die Stadt dafür kritisieren. Aber das bringt halt auch nicht eine bessere Lösung.
Wieso empfehlt die JA! denn kein NEIN?
Das Projekt ist, wie der Name sagt, ein Bau- und Verkehrsprojekt. Es dient dem ÖV, es dient den Velos (mit Ausnahme der Abstellplätze), es dient den Fussgänger:innen und es schränkt die Autos ein. Der Perimeter rund um den Bahnhof wird nur aus einer Verkehrsperspektive betrachtet, weshalb grössere Massnahmen, die den Raum auch als Aufenthaltsraum und Treffpunkt aufgewertet hätten, im Projekt nicht vorkommen. Das Projekt ist nicht grossartig aber nötig, damit auch in Zukunft kein Verkehrschaos entsteht um die neuen Eingänge des Bahnhofs. Deshalb empfehlen wir euch JA! zu stimmen.