Die Stadt Bern trug einst den Ruf einer Pionierin in der Drogenpolitik. So wurde in Bern 1986 das schweizweit erste Fixerstübli eröffnet. In der Zwischenzeit scheint die Bereitschaft des Gemeinderates zu solchen Pionierleistungen massiv abgenommen zu haben. In diesem Sommer wird im Gegenteil wieder einmal am Rad der Repression gedreht und eine Drogenpolitik betrieben, die an längst vergangene Zeiten denken lässt.
Am 10. Juni gab der Gemeinderat in einer Medienmitteilung bekannt, dass er die Kantonspolizei dabei unterstütze, im Sommer „mehrere gezielte und konzentrierte Aktionen gegen den Drogendeal“ auf der Schützenmatte durchzuführen. Inzwischen haben zwei Razzien mit gemäss Augenzeugen bis zu 40 beteiligten PolizeibeamtInnen auf der Schützenmatte und innerhalb der Reitschule stattgefunden. Dabei hat die Polizei nur geringe Mengen Drogen sichergestellt, nicht überraschend, da es sich hier ja um Kleinstdeal handelt.
Es ist heute anerkannt, dass Repression kein geeignetes Mittel ist, um gegen den weltweiten Drogenhandel vorzugehen. Die Global Commission on Drug Policy beispielsweise, der auch die ehemalige Bundesrätin Ruth Dreifuss angehört, engagiert sich für die Entkriminalisierung der Drogen. Dreifuss sagte in einem Interview dazu: „Die repressiven Massnahmen sollten sich darauf konzentrieren, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen.“[1]
Wie die Erfahrungen mit Repression zeigen, wird mit Razzien auf der Schützenmatte der Drogenhandel nicht bekämpft, er wird sich wohl nicht einmal verlagern. Es ist enttäuschend, dass der Gemeinderat, der sich vehement gegen aufsuchende Jugendarbeit in der Innenstadt sträubt, nun mit Repression offenbar „Jugendschutz“ betreiben will. Der Gemeinderat wird deshalb gebeten, folgende Fragen zu beantworten:
- Welches Ziel verfolgt der Gemeinderat mit den „gezielten Aktionen“ durch die Kantonspolizei auf der Schützenmatte? Hat der Gemeinderat ein drogenpolitisches Konzept vor Augen, wenn ja welches?
- Laut Aussage von Gemeinderat Nause in der Zeitung „Der Bund“ sollen die Dealer durch die Polizei „gestört und zurückgedrängt“ werden. Was meint der Gemeinderat damit? Wohin sollen die Dealer „zurückgedrängt“ werden? Welchen Nutzen erhofft sich der Gemeinderat davon?
- Die polizeilichen Massnahmen auf der Schützenmatte werden unter anderem mit dem Argument des Jugendschutzes gerechtfertigt. Sieht der Gemeinderat keine wirkungsvolleren Massnahmen für den Jugendschutz? Was hält der Gemeinderat beispielsweise von einer aufsuchenden Jugendarbeit im Raum Schützenmatte?
- Welche nicht-repressiven Massnahmen zur Verhinderung des Drogendeals auf der Schützenmatte sieht der Gemeinderat vor?
- Werden die Auswirkungen der Razzien auf den Drogenhandel in geeigneter Weise erhoben und ausgewertet?
- Wie vielen Menschen wurden inzwischen aufgrund der Razzien mittels einer Ausgrenzung verboten, das Gebiet zu betreten?
- Wie kann die Polizei verhindern, dass es bei solchen Razzien zu Racial Profiling kommt? Aufgrund von welchen Kriterien wird eine Person während einer Razzia abgeführt?
Bern, 02.07.2015
[1] http://www.20min.ch/wissen/news/story/Frau-Dreifuss–warum-probierten-Sie-Drogen–25530249