Eine Nachricht aus Schweden an die Schweiz“-Schwedische Schauspiele*innen sprechen Schweizer*innen in einem YouTube Video auf den schlechten Umgang mit Sexarbeit an. Mit diesem Kampagnenvideo bringt die Frauenzentrale Zürich die Diskussion über Sexarbeit wieder mehr in die Schweizer Öffentlichkeit. Warum ich die Kampagne trotzdem schlecht finde, probiere ich im Folgenden aufzuzeigen.
„In Schweden wird ein Mann, der für Sex bezahlt, mit Busse oder Gefängnis bestraft. Bei euch ist das legal. Das ist total verrückt.“
So lautet eine Aussage aus dem Kampagnenvideo „Eine Schweiz ohne Freier. Stopp Prostitution“ der Frauenzentrale Zürich. Gerne als das älteste Gewerbe bezeichnet, ist die Sexarbeit auch 2018 noch ein polarisierendes Thema. Ein Thema, über welches (auch in feministischen Kreisen) zu wenig gesprochen wird, obwohl lang bestehende Probleme nicht gelöst werden. Aber ist der Lösungsansatz der Kampagne tatsächlich zielführend? Ein Ansatz, der von Feminist*innen lanciert und von anderen aufs Härteste kritisiert wird. Auch ich finde eine feministische Positionierung in der Diskussion über den Umgang mit Sexarbeit schwierig. Dieser Beitrag versucht die vier verschiedenen Grundsätze der staatlichen Regelung von Sexarbeit kurz zu skizzieren und diskutiert, welche feministischen Positionen zu Prostitution existieren.
Das Prohibitionsprinzip ist ein sehr repressiver Ansatz, der die Sexarbeit auf allen Ebenen verbieten will. Der/die Kund*in, wie auch die Person, die eine sexuelle Dienstleistung anbietet, macht sich dabei strafbar. In den USA gibt es in einigen Staaten diese Regelung.
Das Regulationsprinzip wird in Österreich und der Türkei angewandt und akzeptiert Sexarbeit als notwendiges Übel und stellt (teilweise) staatliche Regelungen auf. Sexarbeit wird in Rotlichtvierteln geduldet und Arbeiter*innen registriert, einer Einkommenspflichtsteuer unterstellt und es werden Gesundheitskontrollen durchgeführt.
Die „Kampagne Schweiz ohne Freier. Stopp Prostitution“ verfolgt das Abolationsprinzip, auch das „Nordische Modell“ genannt, da es bereits in Schweden und in Norwegen Anwendung findet. Dabei wird die Nachfrage, nicht jedoch das Angebot von Sexarbeit unter Strafe gestellt, mit dem Ziel die Prostitution abzuschaffen.
Diese Position wird von Feminist*innen, die für Entkriminalisierung einstehen, oft als diskriminierend und nicht zielführend kritisiert. Durch eine Entkriminalisierung und Entstigmatisierung soll die Sexarbeit mit anderen Dienstleistungsberufen rechtlich und „moralisch“ gleichgestellt werden.
Wie positioniere ich mich als Feministin in dieser Debatte? Das Prohibitions- und Regulationsprinzip lehne ich aufgrund der offensichtlich negativen Auswirkungen ab. Es bleiben noch die letzten beiden Lösungsansätze.
Der Konsens zum Thema Sexarbeit endet bei Feminist*innen meistens dann, wenn darüber gesprochen wird, ob es überhaut freiwillige Sexarbeit gibt.
„80% der Prostituierten würden gerne aufhören, wenn sie könnten.“ – Auch eine Aussage aus dem Kampagnenvideo der Frauenzentrale Zürich, die davon ausgeht, dass freiwillige Sexarbeit nicht existiert. Diese Feminist*innen gehen meist von einer Theorie des Patriarchats aus, die unterschiedliche Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen feststellt. Sexarbeit ist dabei immer Ausbeutung und Ausdruck der männlichen Herrschaft über den weiblichen Körper. Freiwillige sexuelle Dienstleistung gibt es nicht, da die Frau* dabei das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper abgibt. Diese Annahmen sind nicht unproblematisch, denn sie stellen die Frau*en bloss als Opfer dar, die gerettet werden müssen. Verliere ich wirklich das Selbstbestimmungsrecht über meinen Körper, wenn ich eine sexuelle Dienstleistung anbiete? Oder sind es eher die bestehenden Strukturen, die das Ausüben von Prostitution zu einer diskriminierenden und abwertenden Sache machen? Die „Pro-Sexarbeit Bewegung“ sieht die Sexarbeit als eine (grundsätzlich) freiwillig ausgeübte Arbeit, die als solche behandelt werden muss. Durch eine Gleichbehandlung mit anderen Dienstleistungsberufen wird eine rechtliche Grundlage geschaffen, die die Erfahrung von Gewalt und Missbrauch und alle anderen negativen Folgen, die der Prostitutionsakt oft mit sich bringt, verhindern kann. Wird das Nordische System in der Schweiz eingeführt, würden Sexarbeiter*Innen nicht strafbar gemacht durch das Anbieten ihrer Dienstleistungen. Durch die Illegalisierung der Nachfrage wird das Gewerbe aber trotzdem wieder in einen rechtlich ungeschützten Rahmen verschoben. Dadurch können faire und sichere Arbeitsbedingungen noch weniger garantiert werden. Eine Entkriminalisierung scheint eine sinnvollere Lösung als eine Illegalisierung.
„Ihr Lebt immer noch im Mittelalter mit Frauen als Sexsöldnerinnen.“
Diese Aussage des Kampagne Videos finde ich sehr problematisch. Sie stellt Sexarbeiter*innen bloss als Opfer dar, ohne die Möglichkeit auf eine freie Wahl des Berufs überhaupt in Betracht zu ziehen. Wenn hingegen davon ausgegangen wird, dass sich eine Person freiwillig dazu entscheiden kann, eine sexuelle Dienstleistung anzubieten, wird dabei die Selbstbestimmtheit der weiblichen Sexualität anerkannt. Von „Pro Sexarbeit“ Aktivist*innen wird sogar die Meinung vertreten, dass die Sexarbeit herkömmliche Rollen in Frage stellt und so einen emanzipatorischen Beitrag leistet. Die sexistischen und heteronormativen Hintergründe, die die Sexarbeit bestimmen, lassen aber an diesem Anspruch zumindest zweifeln. Ich finde, um von einer selbstbestimmten weiblichen Sexualität zu sprechen, müssen in unserer Gesellschaft noch viele patriarchale Strukturen überwunden werden. Das Machtgefälle, gerade im Bezug auf Sexualität, herrscht nicht nur in der Sexarbeit sondern überall, auch in „gewöhnlichen“ Paarbeziehungen. In vielen Köpfen herrschen noch immer die Vorstellungen des Mannes als sexuelles Wesen, das den aktiven Part übernimmt und die Frau als passive Gegenspielerin zur Befriedigung der männlichen sexuellen Gelüste. Um Sexarbeit tatsächlich in keiner Weise als Ausbeutung zu sehen, müssen diese Vorstellungen verschwinden. Dazu muss nichts Geringeres passieren, als die Überwindung des Patriarchats und auch die, der Kategorie Mann* Frau*.
„All diese jungen Mädchen, die in euer Land gebracht werden, um als „Putzhilfe“ zu arbeiten. Damit irgendein Zuhälter reich wird.“
Die meisten Sexarbeiter*innen, sind Migrant*innen, darin stimmen die Aussagen des Kampagnenvideos. Der wichtige Unterschied zwischen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Arbeitsmigration wird jedoch nicht gemacht. Dies sind jedoch zwei verschiedene Phänomene. Dass Menschenhandel bekämpft werden muss, steht ausser Frage. Die Bedürfnisse der Opfer von Menschenhandel und die der Sexarbeier*Innen decken sich jedoch nicht. Sexarbeiter*innen aus Arbeitsmigration brauchen sichere Arbeitsbedingungen und keine Illegalität. Damit sichergestellt werden kann, dass sie freiwillige Sexarbeit leisten, müssen sie einen sicheren Aufenthaltsstatus und Rechte haben, um die Möglichkeit zu haben, anderen Tätigkeiten nachzugehen.
Die Lösung für dieses Problem ist aber nicht das Verbieten der Sexarbeit, sondern jedem Mensch die Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben zu gewährleisten, mit einer freien Wahl über die Art der Sicherung seines Lebensunterhalts. Nicht nur Sexarbeit, sondern viele Lohnarbeiten sind risikoreich, unangenehm und nicht frei gewählt. Lohnarbeit als Gesamtes muss immer als Ausbeutung angeschaut werden, solange ihre Ausführung lebenserhaltend wichtig ist. Um die Probleme der Sexarbeit zu lösen, müssen grundlegende strukturelle Veränderungen geschehen, die keinen Mensch mehr zwingen, einer Lohnarbeit nachzugehen. Ein Ansatz dafür wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen oder radikaler, die Überwindung des Kapitalismus.
Die Antworten auf die Probleme der Sexarbeit sind komplex und tiefgreifend und für eine grundlegende Lösung braucht es antikapitalistisch-feministische Bewegungen. Die Entkriminalisierung und Entstigmatisierung der Sexarbeit löst nicht alle Probleme, würde die Position von Sexarbeier*innen jedoch um ein Vielfaches verbessern.
Die Kampagne „Eine Schweiz ohne Freier“ finde ich ein von Grund auf schlechter Ansatz. Bei einer Sache muss ich den Schwedischen Schauspielr*Innen im Video aber Recht geben: „Wir sind komplett unterschiedliche Länder. Zum Beispiel in Sachen Frauen.“ Die Schweiz hinkt in Gleichstellungsfragen schon lange traurig hinterher: Mutter/Vaterschaftsurlaub, Stimmrecht, gleichgeschlechtliche Ehe usw. Auch im Bereich Sexarbeit gibt es viel zu verbessern, nur nicht in die Richtung, in die die Kampagne will.
Von Elena M.