Schaffung von günstigem Wohnraum und griffigem Klimaschutz gescheitert
Von Mahir Sancar und Nora Joos l[1]
Am 9. Juni 2024 wird die Stadt Bern über das Wifag-Areal im Breitenrain abstimmen. Bis ins Jahr 2009 wurden dort Druckmaschinen hergestellt, nun will die Mali International AG dort mindestens 80% des Areals für Wohnraum nutzen und schaffen. Verdichtung nach Innen, ein grundsätzlich unterstützenswertes Projekt, das in einem städtebaulich und architektonisch attraktiven Bau resultieren soll. Die JA! empfiehlt trotzdem Nein zu stimmen. Wieso? Wir kritisieren den Mangel an günstigem Wohnraum, die zu hohe Anzahl von Abstellplätzen für Motorfahrzeuge sowie das zu hohe Fahrtencontrolling[2].
Die Stadt Bern hat in ihrer Wohnraumstrategie festgelegt, dass die Hälfte der bis 2030 in der Stadt Bern neu errichteten Wohnungen im preisgünstigen und gemeinnützigen Segment (Kostenmiete) entstehen muss. Dieses Mindestziel, das selbst nicht sehr ambitioniert ist, wird beim Wifag-Areal nicht eingehalten: Es wird nur ein Drittel als preisgünstige Wohnungen erstellt, womit die Gentrifizierung und die damit einhergehende Verdrängung von Wenigverdienenden aus dem Quartier gefördert wird. Dies mit der Begründung, dass die Investorin sonst abspringen würde und es keine anderen Investor*innen für das Projekt gäbe. Dass sich die Stadt, insbesondere der Gemeinderat, hier so erpressen lässt, ist für die JA! unverständlich und nicht haltbar!
Bereits in der Kommission für Planung, Verkehr und Stadtgrün (PVS), in der das Geschäft vordiskutiert wurde, wurde verlangt, dass sich der Gemeinderat an die Massnahme 8 in der aktuellen Energie- und Klimastrategie halten soll: Die Anzahl Parkplätze pro Wohnung bei Neubauten wird auf 0.2 Parkplätze pro Wohnung festgelegt. Das Wifag-Areal dürfte damit 152 Abstellplätze für Motorfahrzeuge enthalten und 490 Fahrten pro Tag[3] aufweisen. Dies war darüber hinaus auch die Meinung der Quartierkommissionen, Parteien und Umweltverbänden, die im Mitwirkungsprozess deutlich geäussert wurden. Der Gemeinderat setzte sich jedoch darüber hinweg und beabsichtigte, 210 Abstellplätze für Motorfahrzeuge und ca. 570 Fahrten zuzulassen. In der Stadtratsdebatte wurde Verschiedenes gefordert: Die PVS verlangte 182 Abstellplätze und 570 Fahrten, GB/JA! 152 Abstellplätze und 490 Fahrten, die GFL und die SP/JUSO-Faktion verlangten 190 Abstellplätze und 570 Fahrten und andere Parteien wollten die Zahlen sogar noch erhöhen. Es obsiegte schließlich der Antrag der SP/JUSO-Fraktion. Zur Forderung des Gemeinderats ist dies zwar eine Annäherung an die aktuelle Energie- und Klimastrategie, bleibt trotzdem in weiter Ferne von dessen, was notwendig wäre. Dieser unschöne Kompromiss, der auf Druck der Investorin und der Gehörigkeit des Gemeinderats und der SP erfolgte, entfernt uns einmal mehr von der Erreichung der Klimaziele. Offenbar hat eine Mehrheit des Stadtrats noch immer das Gefühl, dass zu einer Eigentumswohnung im Breitenrain, keine fünf Gehminuten von der Bushaltestelle und ca. zehn Gehminuten von der Wankdorf-Bahnstation, ein MIV-Privatparkplatz dazugehört.
Was bedeutet das für die Abstimmungen? Auch wenn uns klar ist, dass die Stadt Bern dringend mehr Wohnraum benötigt und diese auf dem Wifag-Areal geschaffen werden kann, sind wir doch überzeugt, dass dies nicht zu jedem Preis erfolgen darf. Die Energie- und Klimastrategie und die Wohnbaustrategie der Stadt Bern haben ihren Sinn und es darf nicht sein, dass deren Inhalt vom Gemeinderat und Stadtrat aufgrund von profitorientierten Investor*innen mit Füssen getreten wird. Mit unseren Mieten und auf Kosten unseres Klimas darf kein Profit gemacht werden! Wir empfehlen deshalb, die Überbauungsordnung des Wifag-Areals abzulehnen.
[1] Dieser Text ist ein Querschnitt aus den Voten von Jelena Filipovic (GB) und Anna Jegher (JA!) aus der Stadtratssitzung vom 14. März 2024 zur Überbauungsordnung Wylerringstrasse 34, 36, 46 und 48, auch bekannt als Wifag-Areal.
[2] Fahrtencontrolling = Grenze, wie viele Ein- und Ausfahrten es pro Tag geben darf
[3] Anlieferungsverkehr nicht enthalten