NEIN zur Initiative „Keine gewalttätigen Demonstranten“
Die Junge Alternative JA! sagt NEIN zum „Entfernungsartikel“, denn er ist:
UNPRAKTIKABEL. Auch friedliche KundgebungsteilnehmerInnen und PassantInnen wären von den Bussen bis zu 5000 Franken betroffen.
UNNÖTIG. Bereits heute bestehen rechtliche Grundlagen, um bei gewaltsamen Auseinandersetzungen einzugreifen.
VIEL ZU TEUER. Zur Umsetzung wären noch aufwändigere Polizeieinsätze notwendig.
Ausführliche Informationen
NEIN zur Initiative „Keine gewalttätigen Demonstranten!“
Am 13. Juni stimmen wir in der Stadt Bern über die Initiative „Keine gewalttätigen Demonstranten!“ ab. Drei Argumente für ein entschlossenes Nein.
Worum es geht
Die Initiative verlangt die Einführung eines so genannten „Entfernungsartikels“. Mit diesem Artikel soll die Polizei die Kompetenz erhalten, eine Demonstration aufzulösen, indem sie ankündigt, dass sich alle TeilnehmerInnen entfernen sollen. Wer das nicht tut, kann gebüsst werden. Der Artikel im Wortlaut:
Artikel 5 bis Pflichten der Teilnehmenden
Teilnehmende haben sich unverzüglich von einer Kundgebung zu entfernen, wenn sie von der Polizei darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Kundgebung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aufgelöst werden muss.
Artikel 8 Strafbestimmungen
1 Mit Busse bis zum Höchstmass gemäss der kantonalen Gesetzgebung wird bestraft
a. (…) b. (…)
c.Wer als Teilnehmende oder Teilnehmender sich nicht unverzüglich von einer Kundgebung entfernt, sobald sie oder er von der Polizei darauf aufmerksam
gemacht wird, dass die Kundgebung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aufgelöst werden muss (Art. 5 bis).
Grundrechtswidrig
Die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit ist nicht neu. Der Entfernungsartikel wurde auch in Bern schon mehrmals diskutiert. Demonstrieren – so scheint es – wird von gewissen Kreisen nicht mehr als demokratiepolitisch unabdingbares Grundrecht wahrgenommen, sondern wird als Partikularinteresse abgestempelt und mit Tätigkeiten wie samstagliches Einkaufen gleichgesetzt.
Mit dem Entfernungsartikel, der angeblich gegen gewalttätige Ausschreitungen helfen soll, werden alle TeilnehmerInnen einer Kundgebung unter einen Generalverdacht gestellt. Entscheidend für eine Busse ist nicht die Beteiligung an einer Straftat, sondern einzig und allein die Anwesenheit an einer Demonstration. Damit wird das verfassungsmässige Recht auf Versammlungsfreiheit und auf freie Meinungsäusserung übermässig eingeschränkt.
Hinzu kommt die Tatsache, dass keine Kriterien vorhanden sind, wann der Entfernungsartikel zur Anwendung kommen kann. Gemeinderat Reto Nause machte in der Stadtratsdebatte deutlich, dass eine Auflsöung schon „bei einer aufziehenden oder drohenden Eskalation“ möglich sein sollte. Konkret heisst das: Die Polizei darf eine Kundgebung bereits dann auflösen, wenn sie den Eindruck hat, dass im Verlaufe einer Demo möglicherweise Sachschaden entstehend könnte. Worauf das hinausläuft ist klar: Willkür.
Nicht umsetzbar
Die Einführung des Entfernungsartikels ist nicht nur aus grundrechtspolitischen Gründen abzulehnen. Tatsache ist auch, dass er kaum umsetzbar ist. Obwohl die Initianten immer wieder betonen, dass der Artikel eine „praxisnahes Instrument“ für die Polizei schaffe, ist niemandem klar, wie diese Umsetzung tatsächlich aussehen sollte. Stellen wir uns eine der grossen Friedensdemonstrationen gegen den Irak-Krieg vor. An diesen Demonstrationen haben bis zu 40’000 Menschen teilgenommen. Würde dann die Polizei eine Ankündigung verlesen, dass sich alle sofort zu entfernen haben – wäre weder klar, ob alle die Ankündigung mitbekommen, noch ob schliesslich die „Richtigen“ gebüsst werden: Wer kann denn schon beurteilen, ob jemand, der im Begriff ist, ein Geschäft zu verlassen und in die Situation hineingerät, DemonstrantIn ist oder PassantIn? So bleiben der Polizei nur zwei Möglichkeiten – entweder wird die Entfernungs-Aufforderung zwar ausgesprochen, aber die Bussen werden kaum durchgesetzt, womit der vielbeschworene „Abschreckungscharakter“ des Artikels dahin wäre. Oder die Polizei büsst tatsächlich alle, die sich nicht unverzüglich entfernen, was kaum dem Gebot der Verhältnismässigkeit entsprechen kann.
Unnütz
Der Entfernungsartikel verhindert keine Ausschreitungen. Die Initianten weibeln mit Bildern vom 6. Oktober 2007 um die Gunst der StimmbürgerInnen – doch auch die damaligen Ausschreitungen hätten mit dem Entfernungsartikel verhindert werden können. Im Gegenteil: Die Ankündigung, eine Demonstration aufzulösen und das Drohen mit Bussen führt eher zu einer Eskalation als zur Beruhigung einer Situation. Erfahrungsgemäss laufen Demonstrationen immer dann reibungslos ab, wenn die Bedingungen sowohl für die Organisatoren als auch für die Bewilligungsbehörden in Ordnung sind und keine unnötigen Provokationen seitens der Polizei passieren. Ein Beispiel: Der antifaschistische Abendspaziergang 2008 verlief vollkommen ruhig – dank der Tatsache, dass sich die Polizei im Hintergrund gehalten hat.
Aus diesen drei Gründen empfiehlt euch die JA! am 13. Juni ein klares NEIN in die Urne zu legen.