Am 17. Mai 2008 hätte unter dem Motto „reclaim the streets“ eine Strassenparty mit diversen Musikwagen, Live-Bands, Essen und Trinken stattfinden sollen. Die ca. 200 Leute besammelten sich auf der Schützenmatte und wurden schon dort von einem riesigen Polizeiaufgebot am Weiterlaufen gehindert. Die Teilnehmerinnen verschoben sich auf die Kreuzung Schützenmattstrasse/Lorrainebrücke. Um ca. 20.45 Uhr griff die Polizei das friedliche Fest ohne Vorwarnung mit Gummigeschossen und Pfefferspray an. Es entstand eine Massenpanik und zwei Personen wurden durch Gummigeschosse verletzt – eine davon direkt unter einem Auge.
Für die Fraktion GB/JA! ist der Auslöser für einen derartigen Polizeieinsatz unklar. In den Telebärn-News vom 18. Mai 2008 begründet die Sprecherin von Police Bern, Ursula Stauffer, den Einsatz damit, dass der Verkehr wieder hätte fliessen müssen. Die Einsatzleitung vom 17. Mai selber rechtfertigte den Angriff angeblich damit, dass „die Damen und Herren OrganisatorInnen“ lernen müssten, dass für jede Kundgebung eine Bewilligung eingeholt werden müsse. Beide Begründungen legitimieren keinen solchen Polizeieinsatz, insbesondere ohne Vorwarnung. Das Grüne Bündnis und die Junge Alternative, JA! sind zwar auch der Meinung dass für solche Anlässe eine Bewilligung eingeholt werden sollte, eine Bewilligung kann aber auch noch am Platz gegeben werden. Diese deeskalierende Praxis wurde in den letzten Jahren immer wieder vom Gemeinderat und der Polizei angewandt, indem zum Beispiel eine Demoroute durch die Quartiere statt durch die Innenstadt vereinbart wurde. Dass sich der Gemeinderat nun vor dem Hintergrund der Verschiebung der strategischen und operativen Kompetenz zu Police Bern auch vor seiner politischen Verantwortung drückt, beunruhigt die Fraktion GB/JA! zutiefst und stellt die Deeskalationsstrategie in Frage.
Ein solches Vorgehen seitens der Polizei und die unklare Rolle des Gemeinderates bezüglich politischer Vorgaben werfen Fragen auf und machen eine Prüfung des Polizeieinsatzes unumgänglich.
Deshalb bittet die Fraktion GB/JA! den Gemeinderat um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Hat der Gemeinderat mit Police Bern politische Vorgaben (z.B. bezüglich möglicher Demoroute oder dem allgemeinen Umgang mit der unbewilligten Demonstration) vereinbart? Wenn Ja, welche? Oder liess er Police Bern freie Hand, wie sie mit „reclaim the streets“ umgehen wollen? Wenn Ja, warum?
2. Erachten die zuständigen Behörden den Angriff auf die friedlichen Demonstrierenden als verhältnismässig? Wie begründen der Gemeinderat und die Police Bern den plötzlichen Gummigeschosseinsatz, der ohne Vorwarnung durchgerührt wurde?
3. Warum hat die Polizei ohne Vorwarnung – wie es die Vorschrift wäre – Gummigeschosse und Pfefferspray eingesetzt? Gab es diesbezüglich politische Vorgaben vom Gemeinderat?
4. Am Samstag wurden bereits tagsüber Personen in der Innenstadt kontrolliert. Aus welchen Gründen und nach welchen Kriterien geschah dies? Und gab es diesbezüglich politische Vorgaben vom Gemeinderat?
5. Gibt es eine Auswertung des Polizeieinsatzes im Auftrag des Stadt Berner Polizeidirektors? Und wenn nicht, warum? Welche Lehren zieht der Gemeinderat aus dem Polizeieinsatz vom 17. Mai 2008 und wie gedenkt er, diese in die politischen Vorgaben für die Arbeit von Police Bern einfliessen zu lassen?
Bern, 22. Mai 2008