Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB/Lea Bill, JA!) Richterliche Parkordnung ohne gesetzliche Grundlage!

Einmal mehr stellen wir fest, dass eine Überreglementierung des öffentlichen Raums mehr Probleme als Klarheit bringt. Das letzte Beispiel bezieht sich auf ein Ereignis auf der Grossen Schanze, das 2009 stattgefunden haben soll. Die betroffene Frau ist bis zum Bundesgericht gegangen, sie hat die Tat bestritten und schliesslich gewonnen. Dass sich das höchste Gericht mit solchen Banalitäten befasst, ist erstaunlich. Doch dank diesem Fall, die Frau musste übrigens keine Busse bezahlen, haben wir erfahren, mit was sich die privaten Sicherheitsdienste beschäftigen.

Das höchste Gericht stellt in Zusammenhang mit diesem Fall fest, dass die Benützung des öffentlichen Raums nicht mit einer richterlichen Ordnung geregelt werden darf. Es stellt weiter fest, dass die Benützungsordnung der Grossen Schanze, wie sie heute gilt, ohne gesetzliche Grundlage veranlasst wurde. Obwohl dieser Ort öffentlich ist und sich grosse Teile im Besitz der Stadt Bern befinden, ist auch das Bettelverbot in die für die gesamte Grosse Schanze geltende richterliche Ordnung eingepackt. Das erstaunt, denn die Stadt Bern hat nach vielen Diskussionen entschieden das Bettelverbot nur im städtischen Teil des Bahnhofs in einem klar beschränkten Raum (bis 10m im Umkreis der Ausgänge) durchzusetzen. Somit stellen wir fest, dass mit dem Bettelverbot auf der Grossen Schanze eine Erweiterung stattgefunden hat, die weder auf einer rechtlichen Grundlage noch auf einem politischen Entscheid basiert.

Der Entscheid des Bundesgerichts zur Parkordnung der Grossen Schanze wirft auch Fragen zu anderen Park- und Hausordnungen auf: Genügen die rechtlichen Grundlagen der SBB-Hausordnung für das Bahnhofareal und sind die polizeilichen Hausverbote (bis zu 5 Jahre!) – nicht zu Verwechseln mit den Wegweisungen gemäss Polizeigesetz – im Auftrag der SBB rechtens? Und wie sehen die rechtliche Grundlagen für die kürzlich vom Gemeinderat erlassene Camping-Verordnung aus?

Wir bitten deshalb den Gemeinderat folgende Fragen zu beantworten:
1.    Wie sind diese Benutzungsordnungen für die Parkanlagen jeweils entstanden? Welche Parteien wurden miteinbezogen (Stadt Bern, Private,…)? Dabei interessieren nicht nur die Ordnungen der Kleinen  und Grossen Schanze, sondern auch die Ordnungen der anderen Parkanlagen in der Stadt Bern.
2.    Warum hat der Gemeinderat zugelassen, dass sich ein Bettelverbot in diese richterliche Ordnung für die Grosse Schanze einschleichen kann? Inwiefern war der Gemeinderat am Entstehen der Ordnung beteiligt?
3.    Wo in der Stadt Bern gibt es noch richterliche Benützungsordnungen und mit welchen Inhalten?
4.    Welche rechtliche Form hat die Hausordnung der SBB für das Bahnhofareal als öffentlicher Raum?
5.    Hat der Gemeinderat vor dem Erlass der Camping-Verordnung abgeklärt, ob dafür genügend rechtliche Grundlagen bestehen? Und wenn ja, um welche rechtlichen Grundlagen handelt es sich?
6.    Wie möchte der Gemeinderat vorgehen um diese Benutzungs- und Parkordnungen sowie Hausverbote ohne rechtliche Grundlagen aufzuheben?
7.    Ist er bereit anstatt eines Reglements eine Empfehlung für die Benutzung des öffentlichen Raums zu erlassen?
8.    Wenn richterliche Ordnungen für öffentliche Plätze verhängt werden und diese durch private Sicherheitskräfte durchgesetzt werden, kann die Kontrolle weder über die Erlassung, noch über die Durchsetzung der Ordnung durch zuständige öffentliche Organe gewährleistet werden. Wie stellt sich der Gemeinderat zu dieser Problematik? Hat er vor, solche Vorgehensweisen zu verhindern? Und wenn nein, weshalb nicht?

Bern, 18. August 2011

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