Die Überlebenshilfe für Drogenabhängige, also u.a. die minimale gesundheitliche Grundversorgung und die Förderung von hygienischen Konsumbedingungen zur Reduzierung von Krankheiten und Todesfällen in der Drogenszene, beschäftigt die Öffentlichkeit nicht erst seit der Eröffnung der ersten Drogenanlaufstelle an der Münstergasse im Jahre 1986.
Im Zusammenhang mit der Offenen Drogenszene auf der Schützenmatte im Jahr 2008 wurde in der Debatte auch immer auf die Folgen der hektischen und unhygienischen Konsumbedingungen ausserhalb der Drogenanlaufstelle hingewiesen. Die Forderung nach einer 2. Drogenanlaufstelle wurde laut.
Nachdem sich der Kanton Bern weigerte, die benötigte 2. Drogenanlaufstelle mitzufinanzieren, hat die Stadt Bern auf die Realisierung dieses Überlebenshilfeprojekts verzichtet. Ersatzmassnahmen (mit Ausnahme der minimalen Verlängerung der Dast-Öffnungszeiten) zur Reduzierung der unhygienischen Konsumbedingungen wurden keine geschaffen.
Im Jahre 2009 gibt es zwar keine Offene Drogenszene auf der Schützenmatte mehr. Aber die Konsumbedingungen haben sich trotz der Verlängerung der Öffnungszeiten der Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse nicht verbessert. Drogenabhängige konsumieren einzeln oder in kleinen Gruppen in der Umgebung der Schützenmatte, am Aarehang, am Troxlerrain, in Seitengässchen und anderswo und gefährden aufgrund der dortigen Konsumbedingungen nach wie vor ihre Gesundheit.
Neben dem Konsum auf offener Strasse oder am Aarehang ist ein weiteres Phänomen zu beobachten – der Drogenkonsum in Kleingruppen in Privatwohnungen. Dies entlastet zwar den öffentlichen Raum und die Drogenanlaufstelle, doch scheinen die dortigen Konsumbedingungen alles andere als günstig zu sein. Oder um es in den Worten von Ines Bürge (Leiterin Kontakt- und Drogenanlaufstelle) auszudrücken: es ist nicht sicher „ob in den Räumen, in denen sich teilweise mehrere Abhängige aufhalten, die Safer-Use-Regeln eingehalten werden“. (Bund 28.7.09)
Angesichts der individuellen (Krankheit, Tod) und auch gesellschaftlichen Folgen (Gesundheitskosten) der oft hektischen und unhygienischen Bedingungen des Konsums von harten Drogen im Öffentlichen Raum oder in Privatwohnungen stellt sich die Frage, ob nicht endlich Handlungsbedarf besteht. Handlungsbedarf im Sinne der Schaffung von mehr Angeboten an hygienischen Konsummöglichkeiten.
Deshalb folgende Fragen an den Gemeinderat:
1. Was ist der Wissensstand des Gemeinderats bezüglich der gesundheitlichen Gefahren und Folgeerscheinungen der hektischen und unhygienischen Konsumbedingungen im Öffentlichen Raum und in Privatwohnungen (Krankheiten, Todesfälle, Vermeidbarkeit, Risikominderung, etc.)? Gibt es Studien dazu?
2. Anerkennt der Gemeinderat den Handlungsbedarf in diesem Bereich? Wie gedenkt er auf die Problematik zu reagieren?
3. Wie gedenkt der Gemeinderat zusätzliche hygienische Konsumplätze während und ausserhalb der Drogenanlaufstelle-Öffnungszeiten zu schaffen (z.B. dezentrale Konsumplätze in Quartieren)?
4. Wie gedenkt der Gemeinderat wenigstens eine minimale Grundversorgung ausserhalb der Drogenanlaufstelle-Öffnungszeiten zu gewährleisten (saubere Spritzen, Nadeln, mehr Spritzenautomaten, Einbezug von Szeneleuten (z.B. „Filterlis“) etc.)?
5. Wie sehen angesichts der Problematik die Pläne des Gemeinderats bezüglich der Schaffung der 2. Drogenanlaufstelle aus?
Bern, den 17. September 2009