Interpellation Junge Alternative JA! (Rahel Ruch und Lea Bill): Broncos räumen besetztes Haus – wo bleibt das Gewaltmonopol?

Am Dienstag, 6. März besetzte eine Gruppe von jungen Menschen eine leer stehende Gewerbeliegenschaft an der Berner Gartenstrasse. Die HausbesetzerInnen waren friedlich, luden Nachbarn und Interessierte am Mittwoch zu einem Apéro an der Gartenstrasse ein. Die Junge Alternative JA! unterstützt das Anliegen der Gruppe, auf die prekäre Situation im Wohnungsmarkt in der Stadt Bern aufmerksam zu machen. Denn, gemäss städtischer Studie gab es in der Stadt Bern am 1. Juni 2011 gerade mal 337 leerstehende Wohnungen (0.45%). Gerade für unkonventionelles Wohnen ist die Stadt Bern zur Wüste geworden; mit gerade mal 19 Wohnungen mit 5 oder mehr Zimmern lässt sich nicht viel machen.
Es handelt sich also bei den BesetzerInnen um Menschen mit einem legitimen Anliegen, welches von Grossteilen der Berner Bevölkerung geteilt wird. Dennoch konnte die Gruppe sich kaum einrichten. Wie in der Zeitung „Der Bund“ vom 9.3.2012 beschrieben ist, habe die Polizei die Eigentümerin Avadis Anlagestiftung über die Besetzung informiert und mitgeteilt, dass eine Räumung einen Räumungsantrag benötige. Obwohl sich auch die BesetzerInnen mit der Eigentümerin in Kontakt gesetzt hatten und über einen Zwischennutzungsvertrag verhandeln wollten, beauftragte die Eigentümerin die Firma Broncos Security, das Haus zu räumen. Die Sicherheitsfirma stürmte daraufhin gemäss Angaben der Zeitung „Der Bund“ das Haus und bedrohte die BesetzerInnen massiv.Ein solches Vorgehen einer privaten Firma darf in einem Rechtstaat nicht möglich sein. Das Untersuchen und Ahnden von Verstössen gegen Gesetze (z.B. im vorliegenden Falle Hausfriedensbruch) sowie das Abwägen des öffentlichen Interesses gegen allfällige Gefährdungen muss Sache des Staates sein. Die Broncos haben zudem in dieser Hinsicht eine üble Vorgeschichte: In den Achtziger Jahren hat die Truppe bereits einmal ein Haus brutal geräumt – Verurteilungen von Beteiligten waren die Folge. Zudem haben die Broncos in den letzten Monaten im Zusammenhang mit unbewilligten Demonstrationen immer wieder die Absicht geäussert, selber für „Ruhe und Ordnung“ sorgen zu wollen. Es ist also offensichtlich so, dass die Broncos Security das Gewaltmonopol des Staates nicht respektiert. Die Unterzeichnenden sind besorgt über diese Entwicklung und bittet daher den Gemeinderat folgende Fragen zu beantworten:

  1. Ist die Räumung eines besetzten Hauses durch eine private Sicherheitsfirma rechtens?
  2. War die Kantonspolizei über die Räumung durch die Broncos Security informiert? Und wenn ja: zu welchem Zeitpunkt? Falls die Kantonspolizei bereits vor dem Einsatz informiert worden war: Wieso ist sie nicht eingeschritten?
  3. Wie beurteilt der Gemeinderat die Tatsache, dass die Broncos Security bei der Räumung massiv gedroht und Gewalt angewendet hat?
  4. Wie beurteilt der Gemeinderat die Situation des Gewaltmonopols in der Stadt Bern, wenn Aktionen wie die obengenannte möglich sind? Wie schätzt der Gemeinderat den Umgang mit der Firma Broncos Security in Bezug auf das Respektieren des Gewaltmonopols ein?
  5. Wird die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die Broncos Security einleiten wegen Verdachts auf Drohung und versuchter Körperverletzung, welche beide Offizialdelikte sind?
  6. Unterhält die Stadt Bern zum jetzigen Zeitpunkt selber Verträge mit der Firma Broncos Security? Wenn ja: Welche Aufgaben führt Firma Broncos Security im Auftrag der Stadt aus? Und: Beabsichtigt die Stadt weiterhin mit einer Firma zusammenzuarbeiten, die das Gewaltmonopol für unwichtig hält?

Bern, 15.3.2012

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