Seit dem 2. März 2012 ist im Berner Kunstmuseum die Ausstellung „Industrious“ zu sehen. Im Beschrieb der Ausstellung ist zu lesen, dass zum hundertsten Firmenjubiläum von Holcim „unvergessliche Gesichter aus über achtzigtausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konzerns“ gezeigt werden und dass „jedes Porträt (…) Einblicke in individuelle Lebenstiefen und Existenzerfahrungen unserer Gegenwart“ gewährt.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Konzern Holcim seine Mitarbeitenden in den Vordergrund zu stellen versucht und uns damit vorgaukelt, eine soziale und faire Arbeitgeberin zu sein. Fakt ist aber, dass Holcim weltweit Bekanntheit erlangt hat durch aggressive Firmenübernahmen, Landraub, Auszahlung von Hungerlöhnen zu miserablen Arbeitbedingungen und die allgemeine Missachtung der Grundrechte der Mitarbeitenden.
Holcim hat sich also mit den Fotografien ein Geschenk zum 100. Geburtstag gemacht, welches gleichzeitig nützlich für die Imagepflege ist. Das Tragische dabei ist: Das Berner Kunstmuseum als öffentliches Museum zieht mit. Damit bietet das Museum dem internationalen Unternehmen eine Plattform, sich einem breiten Publikum von der schönsten Seite zu zeigen, ohne dabei auf die weltweiten negativen Konsequenzen der unternehmerischen Machenschaften hinweisen zu müssen.
Die Unterzeichnenden sind der Meinung, dass eine solche Firmenwerbung und Imagepflege in einem öffentlichen Museum unhaltbar sind und fordert den Gemeinderat dazu auf, folgende Fragen zu beantworten:
- Wie steht der Gemeinderat dazu, dass ein öffentliches Museum sich als Plattform für die Imagepflege eines internationalen Unternehmens zur Verfügung stellt?
- Wie schätzt der Gemeinderat die Tatsache ein, dass der Sponsorenanteil bei dieser Ausstellung bedeutend grösser ist als üblich (40% anstelle der üblichen 20-30%)? Erachtet der Gemeinderat in diesem Zusammenhang die kulturelle und programmatische Unabhängigkeit einer kulturellen Institution noch als gegeben?
- Hat der Gemeinderat vor, das Gespräch mit der Leitung des Kunstmuseums bezüglich der Ausstellung „Industrious“ zu suchen? Wenn ja: In welchem Zeitraum soll dies geschehen und mit welchem Inhalt? Und wenn nein: Warum nicht?
- Kann sich der Gemeinderat Massnahmen vorstellen, die dafür sorgen, dass Firmenwerbung in diesem Masse in öffentlichen kulturellen Institutionen nicht mehr möglich ist? Wenn ja: Wie würden diese Massnahmen aussehen? Wenn nein: Warum nicht?
- Wo sieht der Gemeinderat die Grenze zwischen Vereinnahmung und Sponsoring durch private Firmen? Gibt es diesbezüglich Richtlinien für subventionierte Betriebe?
Begründung der Dringlichkeit: Eine Stellungnahme des Gemeinderats macht nur dann Sinn, wenn die Ausstellung noch geöffnet und eine allfällige Prüfung der Angebrachtheit dieser Ausstellung noch möglich ist.
Bern, 15. März 2012