ja!rgon Nr. 3 - Mai 2006
EditorJA!l
Kampf gegen Rassismus im Berner Stadtparlament
Als im Stadtrat über die JA!Motion von Simon Röthlisberger „Grundrecht auf
Nothilfe für alle – auch in der Stadt Bern“ diskutiert wurde, erlebte das
Berner Stadtparlament einen skandalösen Vorfall. Erich Hess (jsvp), welcher
vor den Stadtratswahlen mit Hilfe von Thomas Fuchs in die Stadt Bern
gezügelt wurde, ging definitiv zu weit: Er verglich asylsuchende Menschen
mit Ameisen und forderte ein hartes Durchgreifen in der Asylpolitik. Als
dummer Patzer kann dieses menschenverachtende Votum nicht abgetan werden.
Parallelen zu Nazigedankengut sind offensichtlich. Im Holocaust wurden Juden
als Ratten bezeichnet und somit als Instinktwesen denunziert (Film "Der
ewige Jude“ von 1940).
Hess wurde von der eigenen Fraktion und Partei aufgefordert, sich für diese
“verbale Entgleisung” öffentlich zu entschuldigen. Doch statt seinen Fehler
einzusehen, wusste er nichts Besseres als einen weiteren Tiervergleich zu
machen. Diesmal sprach er von Kühen “auf einer saftigen Weide“. Gemeint hat
er wiederum asylsuchende Menschen.
Die JA! hat sich überlegt, Erich Hess aufgrund des Antirassismus-Gesetzes
anzuzeigen. Doch juristische Abklärungen haben ergeben, dass rassistische
Äusserungen auf eine gewisse Ethnie, Kultur oder Religion bezogen werden
muss, damit das Anti-Rassismus-Gesetz greift. Dieser Vorfall hat einmal mehr
deutlich gezeigt, wie wichtig der Kampf gegen Rassismus und
Menschenverachtung ist – die JA! bleibt dran!
Anne Wegmüller
Unter den Wolken...
Zunehmende Polizeirepression an Demos und öffentlichen Veranstaltungen, die
Privatisierung öffentlicher Güter, sowie regelmässig zu hohe Feinstaub- und
Ozonwerte schränken uns Bürgerinnen und Bürger je länger je mehr ein. Die
JA! widmet sich diesen Sommer darum vor allem dem Thema Freiraum.
Freiheit heisst, an einem heissen Sommertag durch die Innenstadt spazieren
zu können, ohne wegen hohen Ozonwerten an Reizhusten zu leiden. Freiheit
bedeutet, sich im Bahnhof aufzuhalten, ohne gefilmt oder vertrieben zu
werden. Freiheit ist nicht, wenn man zwischen Mäc und Börgerking wählen
kann, sondern wenn man sich auch setzen darf, ohne zu konsumieren.
Eine einseitige, auf Wirtschaftswachstum orientierte Politik fördert aber
den Konsumzwang, die Privatisierung des öffentlichen Raums und der
öffentlichen Güter. Dies engt je länger je mehr ein. Von bürgerlicher Seite
her wird die Freiheit zwar auch gross geschrieben, verstanden wird darunter
aber etwas anderes: der freie Markt, die Freiheit auf unbeschränkten
Benzinverbrauch, ein freier Steuerwettbewerb. Solche ‚Freiheiten’
privilegieren jedoch nur einen kleinen Teil der (Welt-)Bevölkerung und
schmälern die Lebensqualität einer breiten Schicht und derjenigen, die sich
nicht in dieses Schema einpassen wollen.
Freiraum soll weder keimfrei noch frei von so genannten Randständigen sein.
Freiraum ist Raum für die grösstmögliche Freiheit aller, die mit ihrem Tun
nicht andere einschränken. Und das hat nichts mit Pathos und grossen Reden
zu tun. Die JA! wehrt sich gegen den kontinuierlichen Abbau des Service
public, gegen die herrschende Drogen- und Vertreibungspolitik der Stadt Bern
und gegen zunehmendes Filmen, Aufzeichnen und Registrieren von persönlichen
Daten an öffentlichen und privaten Orten. Wir wollen unsere Velos auch in
Zukunft beim Bahnhof abstellen können, ohne dafür blechen zu müssen; Demos
organisieren oder daran teilnehmen ohne Tränengas, Gummischrot und
Fichierungen in Kauf nehmen zu müssen. An Fussballspielen jubeln, ohne als
potentiell kriminell eingestuft zu werden. Mehr Freiraum in der Stadt Bern
bedeutet, dass auch Strassenkunst, der Verein Alternative, denk:mal und die
Reitschule (weiterhin) Platz haben. Wir wollen auch unter den Wolken
Freiheit und nicht nur eine grenzenlose Feinstaubbelastung! Diesen Sommer
werden wir uns darum unter anderem einmal mehr für eine abgasfreie
Innenstadt und gegen die herrschende Bahnhofordnung einsetzen.
Iris Balmer
Legale Wände für Graffiti-Kunst
Weltweit wird Graffitikunst als Jugendkultur angesehen und mit legalen
Graffitiwänden und Events gefördert. Sie bietet jungen Leuten ein Potential
sich zu verwirklichen. Vielerorts werden Graffiti-künsterInnen gar damit
beauftragt, graue Häuserfassaden farbig umzugestalten. Und in der Stadt
Bern?
Seit gut 15 Jahren gehören Graffiti zum Alltagsbild in Schweizer Städten.
Anders als die Signaturen ("Tags"), die meist als Schmierereien ohne
ästhetischen Gehalt wahrgenommen werden, polarisieren die bunten Wandbilder
("Pieces") die Öffentlichkeit. Sie sind Ausdruck einer Lebenshaltung, ein
Stück Jugendkultur, verstehen sich als Kunst. Jugendbeauftragte fordern
einen Ausbau von legalen Sprayflächen und immer mehr fördern auch private
Firmen Spraykunst finanziell.
Aus jugend- und soziokultureller Sicht ist die Schaffung von
Entfaltungsmöglichkeiten für Graffiti-KünstlerInnen der viel bessere Weg,
als mit repressiven Massnahmen eine "aus-den-Augen-aus-dem-Sinn"-Politik zu
betreiben. In der Schweiz gibt es mehrere bekannte Plätze, an denen legal
Graffitis gesprayt werden können.
In Ostermundigen beispielsweise existiert seit 6 Jahren eine 400 Meter lange
Schallwand beim Schiessplatz, an der legal gesprayt werden darf. Dieser
vorhandene Freiraum wird von der Sprayerszene rege benutzt und geschätzt.
Eine Gruppe von Jugendlichen betreut in Zusammenarbeit mit der Jugendarbeit
Ostermundigen die legalen Graffitiwände. Seit dieser Freiraum in
Ostermundigen vorhanden ist, wird gemäss Jugendarbeiter viel weniger illegal
gesprayt und getagt.
Legale Wände sind der erste Schritt, dass sich Graffiti-KünstlerInnen
weiterentwickeln können. Viele von Ihnen sind heute erfolgreiche
GrafikerInnen und bringen dank ihren Experimenten und Erfahrungen neue
Inputs in diese Branche ein.
In einem als Postulat angenommenen Vorstoss fordert die JA! mehrere Orte in
der Stadt Bern, an denen das Sprayen von Graffitis legal ist. Jetzt ist der
Ball beim Gemeinderat – Wir sind gespannt!
Anne Wegmüller
Die Schweiz ist keine Insel!
Am 24. September 2006 stimmen wir über das Asyl- und AusländerInnengesetz
ab. Die beiden menschenverachtenden Vorlagen, welche Blochers Handschrift
tragen, müssen wir bachab schicken...
Stell dir vor, die
Schweiz wäre eine Insel: ringsherum Wogen, die bisher nur jenes kleine
Eiland der Helvetier nicht in die Knie zwang, dessen Bevölkerung seither als
bärtige Männer und gehorsame Frauen auf kleinen Alpen ein
Mauerblümchendasein fristen…
Schau sie dir an: keine Wogen rundherum, Menschen, deren Ahnen noch an einem
anderen Ort lebten. Sie ist nun einmal keine Insel, die Schweiz: sogar die
Spanische Wegschnecke hat einen Weg über die helvetischen Grenzen gefunden!
Dieser Tatsache zum Trotz will nun aber die bürgerliche Mehrheit in
Stände-und Nationalrat mit der neuen Ausländervorlage die Schweiz
abschotten. Flüchtlingen soll es noch viel schwerer gemacht werden, in der
Schweiz Aufnahme zu finden als bis anhin. Denn welche Verfolgten sollen z.B
innert 48 Stunden zu Papieren kommen, welche ihnen ihre Regierung
verweigerte? Ja, von welcher sie vielleicht vertrieben und gefoltert wurden?
Mit diesen Gesetzen steuern wir auf ein Klima des Misstrauens hin, in dem
alle Andersartigen der Illegalität verdächtigt werden. Wir würden erlauben,
dass Jugendliche in voller Missachtung der Kinderrechte in Beugehaft
genommen werden könnten. Dass Opfer bewiesener ehelicher Gewalt, die ihre
PartnerInnen verlassen, ausgewiesen werden können. Dass Männer und Frauen
behandelt würden, als wären sie Menschen dritter oder vierter Klasse, nur
weil sie keinen roten Pass besitzen. Städte wie Bern wären mit
weitreichenden sozialen Problemen konfrontiert. Denn wo die Illegalität der
einzige „Schlupfweg“ ist und Menschen in die Kriminalität getrieben werden,
wird eine Stadt die besten Schlupfwinkel bieten. Ähnlich verfehlt ist auch
das revidierte AusländerInnengesetz: Es ist schwer vorstellbar, dass sich
die Putzsorgen vieler Haushalte und die Betreuungsprobleme der Altersheime
mit „qualifiziertem“ Personal aus der EU lösen lassen. Ganz nebenbei: Es
sind schätzungsweise 100'000 Papierlose, welche wir momentan auf
unterschiedlichste Weise ausbeuten. Papierlose, die mit dieser
Gesetzesrevision anstatt leere (wie bisher) gar gebundene Hände hätten: Es
wäre für sie praktisch unmöglich, die nötigen Papiere für eine
Aufenthaltsbewilligung zu erhalten. Die Folge: „Katz-Maus-Spiele“ mit der
Polizei mit dem wahrscheinlichen Ausgang: Ausschaffung. Dies, obwohl diese
Menschen oft bereits seit Jahren in der Schweiz leben.
Lasst uns deshalb am 17. 6. an der Demo „Wir sind die Schweiz“ und am 24.9.
an der Urne ein Zeichen für eine multikulturelle, solidarische Schweiz
setzen, die ihre „humanitäre Tradition“ nicht ganz zu vergessen bereit ist
und in der es doch noch Menschen gibt, die einen Funken Anstand im Leibe
haben!
Chrigu Wirz und Lukas Wegmüller
JA!mitteilung
EIGNE DIR DEINE
ZEITUNG AN!
Der neue Vorwärts nimmt langsam Gestalt an.
Eine Wochenzeitung soll er werden, der neue Vorwärts, eine Plattform für
eine bewegte Linke, offen, feministisch und antirassistisch,
Gegeninformationen zum medialen Einheitsbrei liefern und alle 2 – 4 Wochen
mit einer Beilage zu einem bestimmten Thema aus den linken Bewegungen der
Schweiz erscheinen.
Und es gibt ganz viele Möglichkeiten, wie du mithelfen kannst, damit diese
Zeitung gelingt: Du kannst in der künftigen Trägerschaft mitmachen, dir
jetzt schon ein Abo bestellen, dich für die Redaktion oder als AutorIn
melden, auf www.zwischenberichte.ch den Newsletter abonnieren und an die
Consultas gehen. An den Consultas Ende Mai und Anfangs Juni in verschiedenen
Städten der Schweiz soll diskutiert und herausgefunden werden, wie es jetzt
konkret weitergehen kann und welche Interessen, Ideen, Anregungen und
Wünsche von intressierten Personen vorhanden sind.
Die Consulta in Bern ist am Mittwoch, 31. Mai um 20 Uhr im i-fluss . Diesem
Jargon ist ein Flugi mit mehr Informationen beigelegt.
Claudia Dutler
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